Rn 6

Die Partei kann weiterhin nach § 177 GVG aus dem Sitzungsraum entfernt werden. Auch 247 StPO analog ist anwendbar. Das Gericht kann mithin anordnen, eine Partei solle während einer Zeugenvernehmung den Sitzungsraum verlassen (Saarbr Beschl v 10.11.16 – 4 U 26/15 –, juris; Frankf OLGR 03, 130; einschränkend Höffmann S 101 ff: nur in Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz). Dies gilt jedoch nicht für ihren Prozessbevollmächtigten. Zudem muss gewährleistet bleiben, dass sie ihr Fragerecht (§ 397) ausüben kann und über den Vernehmungsinhalt unterrichtet wird. Dagegen schließt § 357 I nicht aus, die Aussage eines Mittelsmanns zu verwerten, der – wie etwa ein Notar – eingeschaltet wurde, damit der an sich zu vernehmende Zeuge anonym bleiben kann (BAG NJW 93, 612, 613; BVerfG NJW 94, 2347 [BVerfG 21.03.1994 - 1 BvR 1485/93]; aA Prütting/Weth NJW 93, 576, 577). Umstritten ist, ob der gem § 174 III GVG zur Geheimhaltung verpflichtete Prozessbevollmächtigte die nicht an der Verhandlung teilnehmende Partei über den Inhalt der Verhandlung unterrichten darf (bejahend St/J/Berger Rz 6; verneinend, weil die Partei selbst nicht vom Geheimhaltungsverbot erfasst werde, MüKoZPO/Heinrich Rz 7).

 

Rn 7

Grds verhindert der durch Art 103 I GG unterbaute Grundsatz der Parteiöffentlichkeit die Verwertung von Informationen oder Unterlagen, die aufgrund berechtigter Geheimhaltungsinteressen der anderen Partei nicht zugänglich gemacht werden sollen (etwa BGH NJW-RR 16, 606 [BGH 09.12.2015 - IV ZR 272/15] Rz 18 mwN; BVerfG NJW 00, 1175, 1178 [BVerfG 27.10.1999 - 1 BvR 385/90]). Verweigert die nicht beweisbelastete Partei die Veröffentlichung berechtigter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse liegt keine Beweisvereitelung vor (§ 286 Rn 102). Die beweisbelastete Partei muss dann aber zumindest durch Verzicht auf ihre Mitwirkungsbefugnis einem Verfahren zustimmen können, in dem die geheimhaltungsbedürftigen Informationen nur dem Gericht und ggf einem ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichteten SV zur Kenntnis gebracht werden (vgl BVerfG NJW 00, 1175, 1178 [BVerfG 27.10.1999 - 1 BvR 385/90]; s.a. BVerfGE 115, 205, 239 ff; Wagner JZ 07, 706, 717f). IRv § 140c PatG hält der BGH sogar eine Kenntnisnahme durch zur Verschwiegenheit verpflichtete Rechts- und Patentanwälte der Gegenseite für möglich (BGHZ 183, 153, 162 f Rz 23 ff). Die beweispflichtige Partei wird die Gegenseite dagegen schwerlich auf ein solches Verfahren verweisen können, sofern ihr der Beweis nur unter Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen gelingt (BGH NJW-RR 16, 606 Rz 18; Köln NJW-RR 96, 1277; St/J/Berger Rz 20; s.a. BGHZ 116, 47, 58; aA Musielak/Voit/Stadler Rz 4; dies 238 ff; Wagner JZ 07, 706, 717 f; Kersting 281 ff; aus verfassungsrechtlicher Sicht sieht Gaier FS Scharf, 201 ff, die Notwendigkeit, in dem Konflikt zwischen dem Grundrecht der Berufsfreiheit und dem Recht auf effektiven Rechtsschutz praktische Konkordanz herzustellen, die durch ein In Camera Verfahren eher erreicht wird, als durch das einseitige Zurücktreten einer der beiden Grundrechtspositionen).

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