Rn 14

Ebenso wie § 36 I Nr 5 setzt das Eingreifen des § 36 I Nr 6 das Vorliegen eines ›Rechtsstreits‹ voraus, so dass auch beim negativen Kompetenzkonflikt ein Bestimmungsverfahren grds erst in Betracht kommt, wenn Rechtshängigkeit eingetreten ist (BGH NJW 80, 1281 [BGH 05.03.1980 - IV ARZ 8/80]; Hamm Beschl v 18.9.19 – I-32 SA 57/19, Rz 15 – juris; Zweibr MDR 05, 1187 [OLG Zweibrücken 19.05.2005 - 2 AR 28/05]; Hamm Beschl v 22.4.16 – I-32 SA 26/16, Rz 6 – juris) Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos. § 36 I Nr 6 ermöglicht die Entscheidung auch im Prozesskostenhilfeverfahren vor Rechtshängigkeit der Hauptsache, sofern das Verfahren durch Mitteilung der Antragsschrift an den Gegner in Gang gesetzt worden ist (BGH Beschl v 16.4.19 – X ARZ 143/19, Rz 6 – juris; BGH Beschl v 30.7.09 – Xa ARZ 167/09, Rz 7 – juris; Brandbg Beschl v 7.11.17 – 1 AR 35/17 [SAZ], Rz 7 – juris; Hamm Beschl v 30.10.17 – 32 SA 55/17 – juris). Zudem wird auch ohne Übermittlung des Antrags an den Antragsgegner die Leugnung der eigenen Zuständigkeit durch die in Betracht kommenden Gerichte für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 I Nr 6 als ausreichend angesehen, da anderenfalls der Antragsteller, der die Klageerhebung von der Prozesskostenhilfebewilligung abhängig macht, bei Kompetenzleugnungen mehrerer Gerichte rechtsschutzlos gestellt wäre (Dresd NJW 99, 797, 798). Allerdings erfolgt die Zuständigkeitsbestimmung dann lediglich mit Wirkung für das Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren und nicht für das sich etwa anschließende Hauptsacheverfahren (Dresd NJW 99, 797, 798 [BGH 17.09.1998 - I ZR 93/96]). Eine weitere Ausnahme, bei der bereits vor Rechtshängigkeit bzw Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags an den Antragsgegner eine Zuständigkeitsbestimmung möglich ist, gilt für das Mahnverfahren. Auch hier ist unter den vorgenannten Voraussetzungen eine Zuständigkeitsbestimmung analog § 36 I Nr 6 bereits vor Erlass und Zustellung des Mahnbescheids möglich, da anderenfalls der Zweck der Norm, einen Zuständigkeitsstreit möglichst rasch zu beenden, verfehlt werden würde (BayObLG Rpfleger 02, 528, 529; Naumbg Rpfleger 10, 605). Da dieser Zweck aus verfahrensimmanenten Gründen in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch bedeutsamer ist, ist auch hier eine Zuständigkeitsbestimmung analog § 36 I Nr 6 bereits vor Zustellung des Antrages möglich (vgl Brandbg NJW-RR 01, 429). Losgelöst von diesen Einzelausnahmen lässt die Rspr auch generell eine Zuständigkeitsbestimmung vor Rechtshängigkeit analog § 36 I Nr 6 dann zu, wenn verschiedene Gerichte, von denen eines zuständig ist, eindeutig und abschließend zum Ausdruck gebracht haben, dass sie sich nicht für zuständig halten und eine baldige Beilegung des Streits nicht in Sicht ist (BGH NJW 83, 1062; Brandbg MDR 02, 536, 537 [OLG Brandenburg 15.11.2001 - 1 AR 44/01]). Hierbei wird – auch angesichts einer fehlenden Anhörung des anderen Verfahrensbeteiligten – der Zuständigkeitsbestimmung allerdings nur ein vorläufiger Regelungsgehalt beigemessen, so dass die Zuständigkeitsbestimmung unter dem Vorbehalt einer erneuten Zuständigkeitsprüfung durch das bestimmte Gericht auf Grund etwaigen neuen Sachvortrages der Gegenpartei nach Rechtshängigkeit erfolgt (BGH NJW 1983, 1062 [BGH 02.12.1982 - I ARZ 586/82]). Diese Rspr ist in der Lit tw auf deutliche Kritik gestoßen (vgl St/J/Roth § 36 Rz 41), da eine vorläufige Bestimmung das Verfahren noch weiter zu verzögern drohe. Dieser Kritik ist indes nicht zu folgen, da ein – durch das Rechtsstaatsprinzip legimitiertes – Bedürfnis für eine vorläufige Zuständigkeitsbestimmung bei einem ›Hin und Her‹ der Gerichte besteht, andererseits aber bei fehlender Anhörung der Beklagtenseite ein Mehr als eine nur vorläufige Zuständigkeitsbestimmung den Anspruch dieser Partei auf Wahrung ihres rechtlichen Gehörs (Art 103 GG) verletzen würde. Eine Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der beklagten Partei hindert eine Gerichtsstandbestimmung nach § 36 I Nr 6 nicht (BGH Beschl v 26.7.22 – X ARZ 3/22, Rz 36 – juris).

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