Rn 17

Auf der Rechtsfolgenseite ist das nach der Gesetzeslage zuständige Gericht zu bestimmen. Anders als im Falle einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Nr 3 ist dem bestimmenden Gericht im Falle des § 36 Nr 6 kein Ermessen eingeräumt: Es hat den negativen Kompetenzkonflikt zu entscheiden und das zuständige Gericht zu bestimmen (BGH Beschl v 14.2.95 – X ARZ 35/95, Rz 3 – juris; BayObLG Beschl v 15.9.20 – 101 AR 101/20, Rz 21 – juris). Dabei hat das bestimmende Gericht – vor der Prüfung der in Betracht kommenden Zuständigkeitsvorschriften – vorrangig zu prüfen, ob ein etwaiger Verweisungsbeschluss Bindungswirkung entfaltet (§ 281 II 4) oder ob (zB auf Grund einer Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft nach Rechtshängigkeit) eine perpetuatio fori (§ 261 III Nr 2) zu bejahen ist, wobei Letztere einen unveränderten Streitgegenstand voraussetzt, was bei nachträglichen Klageänderungen und Widerklagen nicht der Fall ist (KG Beschl v 16.1.23 – 2 AR 2/23, Rz 8 – juris; Beschl v 19.10.20 – 2 AR 1038/20, NJW-RR 21, 62 [OLG Stuttgart 21.10.2020 - 6 W 53/20], Rz 9 mwN – juris; BGH Urt v 17.4.13 – XII ZR 23/12, NJW 13, 2597, Rz 23 – juris). Die weitaus größte praktische Bedeutung kommt dabei der Zuständigkeit kraft der Bindungswirkung eines wirksamen Verweisungsbeschlusses zu. Diese tritt aber nur ein, soweit § 281 eine Verweisung zulässt, also wegen sachlicher und/oder örtlicher Unzuständigkeit. Eine Abgabe wegen fehlender funktioneller Zuständigkeit entfaltet demgegenüber keine Bindungswirkung (BayObLG ZUM 04, 672 [BGH 29.01.2004 - I ZR 135/00]). Die Bindungswirkung entfällt nur dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen anzusehen ist, etwa weil er auf einer Verletzung rechtlichen Gehörs beruht – wobei es nach üM, soweit dies nicht nach den besonderen Umständen ausgeschlossen ist, keiner Feststellung bedarf, dass die Verweisung sonst unterblieben wäre (BayObLG Beschl v 17.10.22 – 101 AR 80/22, Rz 18 mwN – juris) –, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss. Als in diesem Sinne willkürlich erweist sich ein Verweisungsbeschluss dann, wenn er bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und unverständlich erscheint und deshalb offensichtlich unhaltbar ist (BGH Beschl v 15.8.17 – X ARZ 204/17, Rz 15 – juris mwN). Eine Abweichung von der hM genügt als solche nicht, solange der Verweisungsbeschluss im Ergebnis noch als vertretbar gewertet werden kann (BGH MDR 02, 1450; Brandbg OLGR 07, 560). Schließlich ist eine Bindungswirkung auch dann zu verneinen, wenn der Verweisungsbeschluss auf einem Sachverhaltsirrtum des Gerichts oder einer offenkundig falschen Erfassung des Zuständigkeitsstreitwerts durch das Gericht beruht (BAG NJW 97, 1091, 1092 [BAG 11.11.1996 - 5 AS 12/96]; Hamm MDR 12, 1367). Bei mehreren einander widersprechenden Verweisungsbeschlüssen innerhalb einer Gerichtsbarkeit ist der zeitlich erste maßgeblich (vgl BGH Beschl v 15.8.17 – X ARZ 204/17, Rz 14 – juris; BGH Beschl v 26.7.01 – X ARZ 69/01, Rz 24 – juris; Hamm Beschl v 26.9.16 – I-32 SA 55/16, Rz 37 – juris).

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