Gesetzestext
(1) Soll die Beweisaufnahme durch ein anderes Gericht erfolgen, so ist das Ersuchungsschreiben von dem Vorsitzenden zu erlassen.
(2) Die auf die Beweisaufnahme sich beziehenden Verhandlungen übermittelt der ersuchte Richter der Geschäftsstelle des Prozessgerichts in Urschrift; die Geschäftsstelle benachrichtigt die Parteien von dem Eingang.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Vorschrift regelt ausschnittsweise Verfahrensfragen, die die Beweisaufnahme durch einen ersuchten Richter betreffen. Der ersuchte Richter gehört im Gegensatz zum beauftragten Richter einem auswärtigen Gericht an. § 362 betrifft nur die Beweisaufnahme vor einem inländischen Gericht. Zur Beweisaufnahme im Ausland s § 363. Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen in Abweichung vom Unmittelbarkeitsgrundsatz die Beweisaufnahme einem anderen Gericht überantwortet werden kann, ergeben sich dagegen aus § 355 I 2 und den dort in Bezug genommenen besonderen gesetzlichen Bestimmungen (§ 355 Rn 6).
B. Verfahren.
I. Maßnahmen des Prozessgerichts.
Rn 2
Die Beweisaufnahme durch den ersuchten Richter setzt einen entsprechenden Beweisbeschluss des Prozessgerichts voraus. Er kann auch vorterminlich gem § 358a oder als Änderungsbeschluss gem § 360 (s aber § 360 Rn 7) erlassen werden. Das Beweisthema mit seinen beweisbedürftigen Tatsachen ist möglichst präzise zu beschreiben. Auf der Grundlage des Beschlusses verfasst der Vorsitzende das Ersuchungsschreiben an das gem § 157 GVG für die Rechtshilfe zuständige Amtsgericht. Der ersuchte Richter iSd Abs 2 wird durch den Geschäftsverteilungsplan des angegangenen Amtsgerichts bestimmt. Es gelten jedoch die Ausschließungsgründe der §§ 41 ff. Im Beweisbeschluss wie im Ersuchungsschreiben können nähere Erläuterungen oder Anregungen zur Beweisaufnahme gegeben werden; zB Hinweise für die Durchführung einer Vernehmung oder bestimmte Formulierungen für Fragen (Reinecke MDR 1990, 1061 f). Nach Ermessen des Vorsitzenden können dem Ersuchungsschreiben auch die Verfahrensakten oder Auszüge beigefügt werden. Da der ersuchte Richter nicht verpflichtet ist, sich die Beweisfragen selbst erst aus den Akten zu erschließen (BGHR ZPO § 359 Nr 1 Rechtshilfe 1), kann dies eine präzise Fassung des Beweisbeschlusses jedoch nicht ersetzen.
II. Aufgaben und Befugnisse des ersuchten Richters.
Rn 3
Grds ist das ersuchte Gericht verpflichtet, dem Ersuchen nachzukommen, § 158 I GVG. Nur wenn die beauftragte Handlung unzulässig ist, kann es das Ersuchen zurückweisen, § 158 II 1 GVG. Dies kann insb bei ungenügender Bezeichnung der unter Beweis stehenden Tatsachen der Fall sein (BGHZ ZPO § 359 Nr 1 Rechtshilfe 1; für einfach gelagerte Sachverhalte großzügiger Oldbg NJW-RR 92, 64). Auch wenn eine Beweisaufnahme offensichtlich der Ausforschung dient, kann sie verweigert werden (BGH LM GVG § 158 Nr 2; Frankf OLGR 06, 840 f). Dagegen kann das ersuchte Gericht die Ausführung der Beweisaufnahme nicht mit der Begründung ablehnen, sie sei unzweckmäßig (BGH NJW 90, 2936, 2937 [BGH 31.05.1990 - III ZB 52/89]) oder aufgrund einer vom Prozessgericht abweichenden Rechtsauffassung nicht erforderlich (München OLGZ 76, 252, 253). IRd § 360 kann es den Beweisbeschluss jedoch ändern oder das Ersuchen gem § 365 an ein anderes Gericht weiterreichen. Eine Bindung besteht nur hinsichtlich des Beweisthemas.
Rn 4
Der ersuchte Richter bestimmt den Termin der Beweisaufnahme und benachrichtigt formlos (§ 357 II), aber unter Einhaltung der Ladungsfrist (§ 357 Rn 8) die Parteien. Die Beweisaufnahme ist nicht zwingend öffentlich (§ 169 GVG), wohl aber parteiöffentlich. Anwaltszwang besteht auch hier nicht, § 78 V. Gleichwohl kann auch der ersuchte Richter einen Vergleich aufnehmen (vgl § 361 Rn 4). Über die Beweisaufnahme ist ein Protokoll aufzunehmen (§ 159), das der Geschäftsstelle des Prozessgerichts in Urschrift zu übersenden ist, Abs 2 Hs 1. Die Parteien sind unverzüglich über den Eingang zu unterrichten. Sie können alsdann das Protokoll einsehen und sich Abschriften anfertigen lassen, § 299. Zweckmäßig ist es freilich, ihnen gleichzeitig mit der Benachrichtigung schon Abschriften der Protokolle zu übersenden.
C. Rechtsbehelfe.
Rn 5
Gegen die Ablehnung der ersuchten Beweisaufnahme entscheidet auf Antrag der Parteien oder des Prozessgerichts das OLG, § 159 I 1 GVG. Erklärt auch das OLG die Rechtshilfe für unzulässig, kann Beschwerde zum BGH eingelegt werden, sofern ersuchendes und ersuchtes Gericht den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte angehören, § 159 I 2. Gegen die Anordnung von Ordnungsmitteln steht die Beschwerde gem § 181 GVG offen; iÜ s § 366 Rn 5.