I. Beweiskraft.
Rn 2
Voraussetzung für die Beweiskraft privater elektronischer Dokumente ist gem § 371a I 1, dass sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen sind. Das hierzu erlassene SigG ist mit Wirkung vom 29.07.17 aufgehoben worden (Art. 12 I 2 des Gesetzes vom 18.7.17, BGBl. 2017 I, 2745). Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 371a richtet sich nunmehr nach der VO (EU) 910/2014 (eIDAS-VO, ABl Nr L 257 vom 28.8.14, S 73; s hierzu umfassend und informativ Voigt ua NJW 20, 2991). Gem dem im dortigen Art 32 beschriebenen Verfahren für die Validierung einer qeS wird die Gültigkeit einer qeS bestätigt. Unter dieser Voraussetzung liefert das private elektronische Dokument den vollen Beweis dafür, dass die in ihm enthaltenen Erklärungen ›von den Ausstellern abgegeben worden sind‹ (§§ 371a I 1, 416), übertragen in den hier interessierenden Zusammenhang: dass die im Dokument enthaltene Erklärung von der verantwortenden Person (Zö/Greger, § 371a Rz 2) abgegeben worden ist.
II. Erklärung.
Rn 3
Die in § 371a I 2 angesprochene ›Erklärung‹ muss keine Willenserklärung sein; es kann sich hierbei ebenso gut um eine Wissenserklärung handeln, zB um eine Quittung über den Empfang von Bargeld (Musielak/Voit/Huber § 371a Rz 2), oder um das anwaltliche Empfangsbekenntnis gem § 174 IV (OVG Bremen 27.4.21 – 1 LA 149/21).
III. Anscheinsbeweis.
Rn 4
1. § 371a I 2 kodifiziert einen Anscheinsbeweis zugunsten des Empfängers eines elektronischen Dokuments, wenngleich darauf zu verweisen ist, dass die eigentlichen Voraussetzungen des Anscheinsbeweises (nämlich Vorliegen eines typischen Geschehensablaufs, der nach der Lebenserfahrung auf bestimmte Umstände hinweist), hier gerade nicht gegeben sind (Musielak/Voit/Huber § 371a Rz 7; Roßnagel NJW 01, 1917, 1826 zur Vorläufervorschrift des § 292a). Für lediglich eingescannte Urkunden gilt § 371a dagegen nicht (Roßnagel/Wilke NJW 06, 2145, 2147 ff).
Rn 5
2. Im Ergebnis schützt § 371a I 2 den Empfänger vor dem naheliegenden Einwand des Prozessgegners, letzterer habe eine in elektronischer Form abgegebene Erklärung nicht oder nicht so abgegeben, wie der Empfänger sie vorträgt. Auf die diesen Einwand begründenden Tatsachen, die sämtlich in der Sphäre des Erklärenden liegen werden, hat der Empfänger naturgemäß keinen Einfluss; substantiiertes Vorbringen dazu erscheint daher ausgeschlossen. Hierauf reagiert das Gesetz mit der hier niedergelegten Beweisregel iSd § 286 II (Musielak/Voit/Huber § 371a Rz 7).
Rn 6
3. Dem vermeintlich Erklärenden verbleibt demgegenüber die Möglichkeit, ernstliche Zweifel an den seine Urheberschaft begründenden Tatsachen vorzutragen.
IV. Beweiswert nicht signierter Dokumente.
Rn 7
Ist das elektronische Dokument nicht signiert (trägt es also keinen Namenszug, BAG NJW 20, 3476 [BAG 14.09.2020 - 5 AZB 23/20], Rz 15), ist es – wie jedes andere Augenscheinsobjekt – im Hinblick auf seinen Beweiswert frei zu würdigen (BGH NJW 21, 2364 [BGH 27.04.2021 - VI ZR 84/19], Rz 24 und 30 zur elektronischen Patientenakte; KG KGR 08, 115; zur Beweislast betreffend den Zugang von E-Mails s Willems MMR 13, 551). Hierdurch hat sich durch die eIDAS-VO (s.o. Rn 2) nichts geändert (Heinze/Prado Ojea CR 18, 37, 43).