Rn 1
Es gibt – anders als beim Augenschein (§ 144) – keinen Zeugenbeweis vAw. Die Partei hat also Beweis anzutreten gem § 373 (BeckOKZPO/Scheuch § 373 Rz 1). Der in dem Beweisantritt liegende Beweisantrag kann nur abgelehnt werden, wenn die angebotene Zeugenvernehmung für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die Behauptung, zu deren Beweis der Zeuge angeboten ist, als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich (BGH NJW-RR 21, 861 [BGH 12.05.2021 - XII ZR 152/19], Rz 14; NJW 03, 2527, 2528 [BGH 24.06.2003 - VI ZR 327/02]) ist; unsubstantiierten Beweisanträgen muss nicht nachgegangen werden. Diese allgemeinen zivilprozessualen Regeln zur Behandlung von Beweisanträgen gelten auch für den Zeugenbeweis (§ 284 Rn 43 ff). Unerreichbar (§ 244 III 2 StPO in entsprechender Anwendung) ist der Zeuge nur dann, wenn das Gericht ohne Erfolg alle der Bedeutung des Zeugnisses entsprechenden Bemühungen zur Beibringung des Zeugen entfaltet hat und keine begründete Aussicht besteht, ihn in absehbarer Zeit herbeischaffen zu können (BGH WM 15, 1572 Rz 12), und wenn auch eine audiovisuelle Vernehmung (§ 128a) nicht möglich ist (BGH MDR 21, 1409 [BGH 22.07.2021 - I ZR 180/20], Rz 23). Ungeeignet ist der Zeuge als Beweismittel zB dann, wenn er Schlussfolgerungen aus einem festgestellten Sachverhalt ziehen oder dem Gericht allgemeine Erfahrungssätze darlegen soll (BGH NJW 07, 2122, 2124 [BGH 20.03.2007 - VI ZR 254/05]). Möglicherweise besteht ein Beweisverbot, das die Vernehmung des Zeugen hindert, wenn er nämlich über den Inhalt verbotswidrig erlangter Beweismittel befragt werden soll: heimliche Tonaufnahmen etwa können nicht dadurch in den Prozess eingeführt werden, dass ein Zeuge den Inhalt der Aufnahmen wiedergibt (BeckOKZPO/Scheuch, § 373 Rz 34). Bei ›Lauschzeugen‹, also Zeugen, die ein fremdes Gespräch nur mitangehört haben, ist dagegen eine umfassende Interessen- und Güterabwägung anzustellen (Musielak/Voit/Huber, § 373 Rz 12a). Die Vernehmung des Zeugen kann nicht durch die Verwertung einer von ihm stammenden eidesstattlichen Versicherung im Wege des Urkundsbeweises ersetzt werden; dies vermittelt dem Richter nicht den erforderlichen persönlichen Eindruck von dem Zeugen (BGH VersR 11, 817, Rz 6; s.u. Rn 18 ff). Einen Zeugen nicht zu vernehmen, weil das Gegenteil dessen, was der Zeuge bekunden soll, bereits erwiesen sei, stellt eine unzulässige Beweisantizipation und somit einen Verstoß gegen Art 103 I GG dar (BGH FamRZ 16, 303 Rz 6). Die Vernehmung eines Zeugen kann deshalb auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die von ihm erwartete Aussage stehe in Widerspruch zu anderweitiger Korrespondenz der Partei, die den Zeugen benannt hat (BGH BauR 15, 1325, Rz 20), oder weil von dem Zeugen ohnehin keine wahrheitsgemäße Aussage zu erwarten sei (BGH WM 15, 1572 Rz 13). Auch die Unwahrscheinlichkeit der zu bekundenden Tatsache und der Wahrnehmung dieser Tatsache führt nicht zur Ungeeignetheit des Zeugen (BGH NJW-RR 21, 861 [BGH 12.05.2021 - XII ZR 152/19], Rz 14). Auch der Zeuge ›vom Hörensagen‹, der also nur bekunden soll, was Dritte ihm über entscheidungserhebliche Tatsachen mitgeteilt haben, ist taugliches Beweismittel und daher zu vernehmen (BGH 9.6.11 – IX ZR 38/10, Rz 14 mwN). Eine informatorische Anhörung von Personen, die nicht den Regeln über den Zeugenbeweis genügt, kann nicht an die Stelle einer Zeugenvernehmung treten (BVerwG NVwZ-RR 22, 727 [BVerwG 19.05.2022 - BVerwG 2 B 41.21], Rz 24).
I. Benennung des Zeugen; Anschrift.
Rn 2
Zum Beweisantritt ist zunächst die Benennung des Zeugen, idealiter mit vollem Namen und mit voller ladungsfähiger Anschrift, vonnöten. Entspricht das Beweisangebot nicht diesen Vorgaben, ist zu unterscheiden: Das Angebot eines Zeugen ›N.N.‹ ist irrelevant (BGH NZI 15, 191 [BGH 04.12.2014 - IX ZR 88/14] Rz 6); dies liegt in einem Maße auf der Hand, dass ein gerichtlicher Hinweis hierzu entbehrlich ist (Zö/Greger § 356 Rz 4; BGH NJW 87, 3077, 3080). Ist der Zeuge dagegen grds identifizierbar, aber nicht ausreichend benannt (zB: ›Der angestellte Leiter der Reparatur-Werkstatt im Betrieb der Beklagten‹), so wird das Gericht gem § 356 eine Frist setzen zur Nachholung der erforderlichen Angaben (BGH NJW 98, 2368, 2369; Hamm 17.8.16 – 20 U 86/12, Rz 75: Frist zur Beibringung der vollständigen Anschrift); erst nach fruchtlosem Fristablauf kann das Beweisangebot dann zurückgewiesen werden. Ist die Anschrift des Zeugen, der der Partei nur als Arbeitnehmer eines Vertragspartners entgegengetreten ist, nachvollziehbar nicht bekannt, darf die Partei sich auf die Benennung der Anschrift des Arbeitgebers beschränken (BFH BFHE 235, 304 [BFH 19.10.2011 - X R 65/09], Rz 101; LAG München 9.5.16 – 10 Sa 690/15, Rz 78; vgl aber zu einer unwirksamen Ersatzzustellung an einen Angestellten in den Räumen seines Arbeitgebers LSG Sachsen-Anhalt 26.2.13 – L 7 SB 49/10 B).
II. Benennung des Beweisgegenstandes.
Rn 3
Außerdem muss der Beweisgegenstand ausreichend benannt werden.
1. Substantiierung.
Rn 4
Der Beweisf...