Gesetzestext
(1) 1Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden, ohne dass es eines Antrages bedarf, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. 2Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.
(2) Im Falle wiederholten Ausbleibens wird das Ordnungsmittel noch einmal festgesetzt; auch kann die zwangsweise Vorführung des Zeugen angeordnet werden.
(3) Gegen diese Beschlüsse findet die sofortige Beschwerde statt.
A. Zweck der Norm.
Rn 1
Zweck der Norm ist es, den Zeugen zur Befolgung der ihm in der Ladung mitgeteilten Pflicht (§ 377 II Nr 3), zur Vernehmung vor dem Richter zu erscheinen, anzuhalten. § 380 stellt dazu einen abgestuften Katalog von Maßnahmen zur Verfügung. Andererseits gebietet der Normzweck entgegen dem Wortlaut, von Zwangsmaßnahmen abzusehen, wenn der Zeuge nicht mehr gebraucht wird. Über § 141 III 1 gilt die Vorschrift entsprechend für Parteien, deren persönliches Erscheinen das Gericht angeordnet hat.
B. Anwendungsvoraussetzungen.
I. Zeugen.
Rn 2
Die Vorschrift regelt lediglich die Pflicht des Zeugen, vor Gericht zu erscheinen; zur Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien s § 273 II Nr 3, zu den Folgen des Ausbleibens eines SV s § 409.
II. Erscheinen.
Rn 3
§ 380 regelt die Pflicht des Zeugen, vor Gericht zu erscheinen. Verweigert der erschienene Zeuge dagegen die Aussage oder den Eid, so sind die Folgen in § 390 geregelt.
III. Ordnungsgemäße Ladung.
Rn 4
Voraussetzung der Zwangsmittel gem § 380 ist des Weiteren, dass der Zeuge zum Termin ordnungsgemäß geladen wurde; dies beurteilt sich nach § 377 (s § 377 Rn 2–6). Die Verhängung von Zwangsmaßnahmen scheidet daher zB schon dann aus, wenn der Zeuge ohne Angabe des Vernehmungsgegenstandes (§ 377 II Nr 2) geladen wurde (Saarbr OLGR Saarbr 05, 960), oder wenn das Gericht den Zeugen in Wahrheit nicht vernehmen, sondern ihn mit der Ladung zur Erstattung einer – bislang ausgebliebenen – schriftlichen Aussage gem § 377 III zwingen will. Erscheint der Zeuge auf eine derartige Ladung nicht, dürfen gegen ihn keine Ordnungsmittel verhängt werden (LSG Berlin 13.5.15 – L 27 R 65/15 B Rz 15).
IV. Ausbleiben.
Rn 5
Dem Ausbleiben, also dem schlichten Nichterscheinen des Zeugen gleichgestellt ist das unerlaubte Entfernen vor der Entlassung durch das Gericht; auch ein Zeuge, der in einem Zustand erscheint, in dem er sinnvoller Weise nicht vernommen werden kann (Alkohol; Drogen), bleibt iSd § 380 aus (Musielak/Voit/Huber § 380 Rz 2). Der Zeuge hat zu dem in der Ladung angegebenen Zeitpunkt zu erscheinen. Kommt er verspätet, empfiehlt es sich dennoch wegen eines möglichen Verzichts der Parteien auf den Zeugen (s.u. Rn 8), mit der Entscheidung über Zwangsmaßnahmen zuzuwarten, bis zuverlässig entschieden werden kann, ob der Zeuge noch benötigt wird.
V. Fehlende Entschuldigung.
Rn 6
Die Verhängung von Zwangsmitteln unterbleibt, wenn das Ausbleiben des Zeugen hinreichend entschuldigt ist, § 381.
C. Kostenauferlegung; Ordnungsgeld.
I. Grundsatz.
Rn 7
Dem Zeugen sind die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen, also die Gerichts- und Anwaltskosten des konkret betroffenen Termins sowie diejenigen der Ladung zu einem neuen, durch das Ausbleiben erforderlich werdenden Termin (nicht aber ein fiktiver, pauschalierter Mehraufwand bei Gericht, LSG Stuttgart 7.2.07 – L 13 R 293/07 B, Rz 8). Gleichzeitig ist gegen den Zeugen ein Ordnungsgeld, ersatzweise für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit Ordnungshaft von bestimmter Dauer zu verhängen. Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich allgemein nach dem gesetzlichen Rahmen (Art 6 I EGStGB: 5–1.000 EUR) und speziell nach den (notfalls zu schätzenden) wirtschaftlichen Verhältnissen des Zeugen und nach dem Maß seiner Pflichtwidrigkeit einerseits und nach der Bedeutung der Rechtssache sowie der Aussage für die Entscheidung andererseits (BFH 11.9.13 – XI B 111/12, Rz 10; LSG München 18.6.13 – L 2 R 175/13 B, Rz 14). Die Dauer der Ordnungshaft ist nach Tagen zu bemessen; sie darf höchstens 6 Wochen betragen (Art 6 II EGStGB). Soll das Druckmittel des § 380 auch nur ansatzweise Erfolg versprechend sein, wird man nicht zu vorsichtig agieren dürfen. Der von Huber (Musielak/Voit/Huber § 380 Rz 3) vorgeschlagenen Faustregel (beim ›Erstverstoß‹ 50 EUR bis 150 EUR, ersatzweise zwei bis drei Tage Haft; vgl auch BayLSG 10.1.12 – L 2 SB 267/11 B, Rz 10: 100 EUR bei Bezieher von Leistungen nach SGB II) ist zu folgen. Bei einem Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 300 EUR ist idR eine Begründung für die Höhe des Ordnungsgeldes entbehrlich (LSG München 18.6.13 – L 2 R 175/13 B, Rz 15).
II. Ausnahmen.
Rn 8
Der Wortlaut des § 380 eröffnet keinen Ermessensspielraum; vielmehr sind die Maßnahmen zwingend zu verhängen, falls ihre Voraussetzungen vorliegen (Zö/Greger § 380 Rz 1). Gleichwohl ist festzustellen, dass in der Gerichtspraxis Maßnahmen gem § 380 häufig nur auf Antrag einer Partei verhängt werden. Überdies kommen Ausnahmen in Betracht. Zweck des § 380 ist nicht, jedenfalls nicht primär, den unbotmäßigen Zeugen zu bestrafen (Hamm DV 14, 200 Rz 2), sondern den ungehinderten Fortgang des Verfahrens sicherzustellen. Kommt das Verfahren daher ohne Verneh...