1. Allgemein.
a)
Rn 2
Für das Zeugnisverweigerungsrecht der nahen Angehörigen (§ 383 I Nr 1–3) kommt es auf das Beweisthema nicht an; es ist also irrelevant, ob überhaupt gerade die persönliche Beziehung des Zeugen zur Partei mit dem Streitgegenstand in irgendeinem Zusammenhang steht.
b)
Rn 3
Welche Gründe der Zeuge hat, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch oder keinen Gebrauch zu machen, spielt keine Rolle. Der Zeuge braucht seine Entscheidung nicht zu begründen, seine Entschließung ist ohne weiteres hinzunehmen. Jede Einwirkung des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter auf den Zeugen ist verboten (Musielak/Voit/Huber § 383 Rz 2; BGH NJW 89, 2403 zu § 52 StPO).
c)
Rn 4
Das Zeugnisverweigerungsrecht besteht möglicherweise nur hinsichtlich einzelner Prozessbeteiligter: Ist der Zeuge mit einem von mehreren Streitgenossen verwandt, darf er die Aussage nur insoweit verweigern, als die Beweisfrage diesen Streitgenossen betrifft (München 31.5.17 – 5 W 556/17 Rz 5; Musielak/Voit/Huber § 383 Rz 2).
d)
Rn 5
Die Verwandtschaft etc muss zur Partei des Rechtsstreits bestehen. Der nicht beigetretene Streitverkündete gehört hierzu nicht (Musielak/Huber § 383 Rz 2), der Streithelfer dagegen schon (Zö/Greger § 383 Rz 2; aA Musielak/Voit/Huber § 383 Rz 2). Bei juristischen Personen oder anderen Parteien, die der Vertretung bedürfen, kommt es auf das in § 383 beschriebene Näheverhältnis zum jeweiligen Vertreter, also zur vertretenden natürlichen Person an (BGH ZIP 15, 2296 Rz 8; Zö/Greger § 383 Rz 2). Im Fall der Insolvenz ist die Verwandtschaft zum Gemeinschuldner ausschlaggebend (BGH NJW 79, 1832 [BGH 06.06.1979 - VIII ZR 255/78]). Es reicht aus, wenn das familiär begründete Zeugnisverweigerungsrecht irgendwann einmal bestanden hat; eine spätere Änderung der familienrechtlichen Verhältnisse ist irrelevant (München 31.5.17 – 5 W 556/17, Rz 8).
e)
Rn 6
§ 383 begründet ein Recht des Zeugen, nicht der Partei; zeugnisverweigerungsberechtigt kann die ›Partei‹ daher nur dann sein, wenn sie im eigenen Verfahren, zB wegen Prozessunfähigkeit, vertreten wird und deshalb als Zeuge auftritt (§ 373 Rn 12; Zö/Greger § 383 Rz 2).
f)
Rn 7
Bei einem Minderjährigen ist in Analogie zu § 52 II 1 StPO auf dessen Verstandesreife abzustellen: Liegt diese vor, verfügt also der Minderjährige selbst über die zum Verständnis des Zeugnisverweigerungsrechts erforderliche geistige Reife, so ist nur die Entscheidung des Minderjährigen maßgeblich (BayLSG 12.5.21 – L 3 U 373/18, Rz 37). Fehlt sie, so entscheidet der gesetzliche Vertreter. Ist dieser wiederum selbst Partei (zB die Eltern des Minderjährigen), so ist für die Entscheidung, ob der Minderjährige von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, gem §§ 1629 II 1, 1795 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen (Düsseldorf NZBau 17, 605 Rz 21; Musielak/Voit/Huber § 383 Rz 2; vgl auch Zö/Greger § 383 Rz 4).
g)
Rn 8
Über das ihm aus § 383 I Nr 1–3 zustehende Recht ist der Zeuge gem § 383 II zu belehren. Dies kann zwar bereits in der Ladung geschehen (Zö/Greger § 383 Rz 21; zwingend – sofern das Verwandtschaftsverhältnis bei Gericht bereits bekannt ist – bei schriftlicher Vernehmung gem § 377 III). Bei unklaren Verwandtschaftsverhältnissen wird dies aber nicht ausreichen, va wenn die Gefahr besteht, dass die notwendig knappe Belehrung vom Empfänger inhaltlich nicht ausreichend erfasst wird. Tunlicher ist es, die Verhältnisse bei der Vernehmung zur Person (§ 395 II 1) zu klären und dieser sodann eine den Verständnismöglichkeiten des Zeugen angepasste Belehrung gem § 383 II anzuschließen. Die Belehrung und die Reaktion des Zeugen hierauf sind gem § 160 II protokollpflichtig. Ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht ist nur auf Rüge (§ 295) beachtlich, ansonsten ist die gleichwohl erlangte Aussage verwertbar. Ebenfalls auf eine entsprechende Rüge hin ist die in einem früheren Verfahren erlangte schriftlich vorliegende Aussage nicht durch Urkundsbeweis in das Verfahren einzuführen, wenn der Zeugen damals nicht belehrt wurde (Zö/Greger § 383 Rz 21; BGH NJW 85, 1470, 1471; Brandbg 10.7.15 – 11 U 127/14 Rz 18). Ein dem § 252 StPO entsprechendes Verwertungsverbot kennt die ZPO dagegen nicht (eine in 1. Instanz ordnungsgemäß gewonnene Aussage darf daher in den späteren Instanzen auch dann verwertet werden, wenn der Zeuge nach der 1. Instanz von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, BayVGH 11.6.13, 10 B 12.1493, Rz 25).
h)
Rn 9
Eine Ausnahme zu § 383 Nr 1–3 statuiert § 385 I.
2. § 383 I Nr 1.
Rn 10
Ein wirksames Verlöbnis (§ 1297 BGB) setzt zum einen voraus, dass der Zeuge nicht anderweit verheiratet ist (BVerfG FamRZ 99, 1053), und dass ein ernsthaftes Eheversprechen (noch) besteht, was jedenfalls nach mehr als fünfjähriger Verlöbnisdauer zu verneinen ist (AG Göttingen, ZInsO 10, 1708, Rz 6; abwegig daher Stuttg 9.2.11 – 3 W 73/10, Rz 16: Verlöbnis seit 27 Jahren).
3. § 383 I Nr 2, 2a.
Rn 11
Berechtigt, das Zeugnis zu verweigern, sind der Ehegatte sowie der Lebenspartner, jeweils auch dann, wenn die Ehe oder Partnerschaft nicht mehr besteht, nicht aber der nichtehelich...