I. Nr 1.
1. Unmittelbarer Vermögensnachteil.
Rn 2
Ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht insoweit nur, als von einer wahrheitsgemäßen Aussage ein Nachteil für das Vermögen des Zeugen (oder eines Angehörigen) unmittelbar droht, etwa wenn hierdurch Tatsachen offenbart würden, die einen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Zeugen begründen oder dessen Durchsetzung erleichtern können (BAG DB 17, 2428 Rz 5). Am Merkmal der Unmittelbarkeit fehlt es, wenn nicht das Vermögen des Zeugen oder zB einer OHG, deren Gesellschafter er ist, nachteilig betroffen wäre, sondern nur das Vermögen einer GmbH (also einer anderen juristischen Person), deren Geschäftsführer und/oder Gesellschafter er ist (Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 3). Dass durch die Zeugenaussage eine Partei unterliegt, deshalb insolvent wird und anderweitige Ansprüche des Zeugen deshalb nicht mehr befriedigen kann, stellt gleichfalls einen lediglich mittelbaren Schaden dar (Zö/Greger § 384 Rz 4). Gleiches gilt, wenn der Zeuge – wäre er Partei eines ihn betreffenden Rechtsstreits – das, was er verschweigen will, im Rahmen seiner Pflicht zum wahrheitsgemäßen Vortrag ohnehin vortragen müsste (BAG DB 17, 2428 Rz 7). Einen unmittelbaren Nachteil würde es dagegen darstellen, wenn eine GmbH gem § 142 Unterlagen vorlegen müsste, wodurch die Durchsetzung von Ansprüchen gegen sie erleichtert würde (BGH NJW 07, 155, 156 [BGH 26.10.2006 - III ZB 2/06]).
2. Zeugen und Angehörige.
Rn 3
Der Nachteil muss dem Zeugen oder einem der in § 383 I Nr 1–3 genannten nahen Angehörigen drohen. Hierbei ist freilich gerade nicht Voraussetzung, dass dieser Angehörige Partei des Rechtsstreits ist; sonst hätte der Zeuge ohnehin das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 (BGH 20.7.23 – IX ZB 7/22 Rz 17 = NJW 23, 3729; Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 1).
3. Ausnahme.
Rn 4
Eine Ausnahme zu § 384 Nr 1 statuiert § 385 I.
II. Nr 2.
1. Unehre.
Rn 5
›Unehre‹ ist bei einer spürbaren Herabsetzung des Ansehens zu befürchten, und zwar nicht innerhalb einer eng zu definierenden Bevölkerungsgruppe, etwa innerhalb des Bekanntenkreises des Zeugen, sondern anhand eines generalisierenden Maßstabes (Zö/Greger § 384 Rz 5) innerhalb der gesamten Rechtsgemeinschaft (Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 4). Verweigern darf man hiernach zB die Frage nach außerehelichem Geschlechtsverkehr (Karlsr NJW 94, 528 [OLG Karlsruhe 06.10.1993 - 2 WF 45/93]). Ist aber eine Straftat, derer sich der Zeuge bezichtigen müsste, verjährt (s.u. Rn 6), so steht dem Zeugen auch der Ausschlussgrund der Unehre nicht zur Seite (Ddorf 13.3.2014 – I- 14 W 18/14 Rz 25). Kein Auskunftsverweigerungsrecht begründet die einer Partei erteilte Zusicherung, zu schweigen; Partei und Zeuge haben es nicht in der Hand, ein ansonsten nicht bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht durch eine Abrede erst zu begründen (Hamm FamRZ 99, 939, 940).
2. Gefahr der Strafverfolgung.
Rn 6
Die Norm setzt nicht voraus, dass bei einer wahren Aussage tatsächlich die Gefahr der Strafverfolgung besteht (Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 2; BGHZ 43, 368, 374; München NJW 11, 80, 81); die Frage nach der Beteiligung an einer Straftat muss der Zeuge also auch dann nicht beantworten, wenn er an der Straftat gerade nicht beteiligt ist (Zö/Greger § 384 Rz 2). Die Gefahr der Strafverfolgung ist andererseits auch dann zu bejahen, wenn die Aussage nur zu einer Beweiserleichterung zum Nachteil des Zeugen in einem bereits anhängigen Strafverfahren führen würde (Saarbr 22.4.2014 – 4 W 3/14 Rz 102) oder wenn die Aussage als ›Teilstück eines mosaikartigen Beweisgebäudes‹ zur Belastung des Zeugen beitragen könnte (Celle NZG 16, 699 [OLG Celle 11.01.2016 - 13 W 58/15], Rz 17). Nicht von § 384 erfasst ist selbstverständlich dasjenige Aussagedelikt (§§ 153 ff StGB), das der Zeuge gerade mit der gegenständlichen Aussage, die er verweigern will, begehen würde (Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 4); der Zeuge hat wahrheitsgemäß auszusagen, und unter dieser Prämisse droht ihm für seine Aussage kein Strafverfahren. Der Zeuge soll sich nur vor einer Strafverfolgung wegen einer vor der Aussage, nicht wegen einer anlässlich der Aussage begangenen Straftat schützen können. Anders dagegen in der 2. Instanz: Soll der Zeuge in der Berufungsinstanz seine – falsche – erstinstanzliche Aussage wiederholen, liegt bei ihm die nämliche Zwangslage wie bei einem gänzlich vor dem einschlägigen Verfahren straffällig gewordenen Zeugen vor. Ihm steht daher das Zeugnisverweigerungsrecht zu (BGH NJW 08, 2038, 2039 [BGH 08.04.2008 - VIII ZB 20/06]). Verjähren die in Frage stehenden Straftatbestände, so entfällt auch das Zeugnisverweigerungsrecht (Ddorf 13.3.14 – I- 14 W 18/14, Rz 19). § 384 greift nach seinem Wortlaut schon dann ein, wenn dem Zeugen nur ein Bußgeldverfahren nach dem OWiG droht. Hieraus wird zu folgern sein, dass ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht über den Gesetzeswortlaut hinaus erst recht dann zusteht, wenn er – bei wahrheitsgemäßer Aussage – ehrengerichtliche oder dienststrafrechtliche Maßnahmen zu befürchten hat, weil diese idR wesentlich schwerer wiegen als nach dem OWiG zu verhängende Geldbußen (Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 4; Zö/Greger § 384 Rz 6). Über den Proze...