Gesetzestext
Das Zeugnis kann verweigert werden:
1. |
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde; |
2. |
über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen zur Unehre gereichen oder die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden; |
3. |
über Fragen, die der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren. |
A. Zweck der Norm.
Rn 1
Die Vorschrift soll den Zeugen schützen vor Nachteilen, die ihm oder einem Angehörigen aus wahrheitsgemäßen Aussagen erwachsen könnten. § 384 löst diesen Konflikt dahingehend, dass der Zeuge zwar die Antwort auf einzelne Fragen, aber nicht die Aussage insgesamt verweigern darf. Daher darf auch nicht die Vernehmung insgesamt unterbleiben (BGH NJW 94, 197 f [BGH 18.10.1993 - II ZR 255/92]), sondern es sind durchaus Fragen zu stellen, bis der Zeuge sich auf § 384 beruft (Hess LAG 27.6.07 – 11 Ta 83/07, Rz 9). In Einzelfällen kann freilich das eigentlich beschränkte Recht aus § 384 so weit reichen, dass insgesamt keine Frage beantwortet werden muss (BGH NJW 08, 2038, 2040 [BGH 08.04.2008 - VIII ZB 20/06]; Saarbr 22.4.2014 – 4 W 3/14 Rz 75), zB wenn Streitgegenstand ausschließlich unmittelbar und mittelbar ein inkriminiertes Rechtsgeschäft ist (etwa eine Hehlerei, an der der Zeuge beteiligt sein soll). Vorsicht ist geboten, wenn von dem Zeugen eine Begründung seiner Aussageverweigerung verlangt werden soll (§ 386). Wenn sich die Zulässigkeit der Weigerung nicht schon aus der Frage selbst ergibt (zB bei der Frage nach der Beteiligung an einer Straftat), darf eine Begründung nicht in dem Ausmaß gefordert werden, das wegen des Zwangs zur Offenbarung der zu schützenden Geheimnisse das Zeugnisverweigerungsrecht vereitelt (Zö/Greger § 384 Rz 2; tendenziell aA dagegen BFH BFH/NV 07, 1524 [BFH 07.05.2007 - X B 167/06]).
B. Die Tatbestandsvoraussetzungen iE.
I. Nr 1.
1. Unmittelbarer Vermögensnachteil.
Rn 2
Ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht insoweit nur, als von einer wahrheitsgemäßen Aussage ein Nachteil für das Vermögen des Zeugen (oder eines Angehörigen) unmittelbar droht, etwa wenn hierdurch Tatsachen offenbart würden, die einen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Zeugen begründen oder dessen Durchsetzung erleichtern können (BAG DB 17, 2428 Rz 5). Am Merkmal der Unmittelbarkeit fehlt es, wenn nicht das Vermögen des Zeugen oder zB einer OHG, deren Gesellschafter er ist, nachteilig betroffen wäre, sondern nur das Vermögen einer GmbH (also einer anderen juristischen Person), deren Geschäftsführer und/oder Gesellschafter er ist (Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 3). Dass durch die Zeugenaussage eine Partei unterliegt, deshalb insolvent wird und anderweitige Ansprüche des Zeugen deshalb nicht mehr befriedigen kann, stellt gleichfalls einen lediglich mittelbaren Schaden dar (Zö/Greger § 384 Rz 4). Gleiches gilt, wenn der Zeuge – wäre er Partei eines ihn betreffenden Rechtsstreits – das, was er verschweigen will, im Rahmen seiner Pflicht zum wahrheitsgemäßen Vortrag ohnehin vortragen müsste (BAG DB 17, 2428 Rz 7). Einen unmittelbaren Nachteil würde es dagegen darstellen, wenn eine GmbH gem § 142 Unterlagen vorlegen müsste, wodurch die Durchsetzung von Ansprüchen gegen sie erleichtert würde (BGH NJW 07, 155, 156 [BGH 26.10.2006 - III ZB 2/06]).
2. Zeugen und Angehörige.
Rn 3
Der Nachteil muss dem Zeugen oder einem der in § 383 I Nr 1–3 genannten nahen Angehörigen drohen. Hierbei ist freilich gerade nicht Voraussetzung, dass dieser Angehörige Partei des Rechtsstreits ist; sonst hätte der Zeuge ohnehin das Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 (BGH 20.7.23 – IX ZB 7/22 Rz 17 = NJW 23, 3729; Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 1).
3. Ausnahme.
Rn 4
Eine Ausnahme zu § 384 Nr 1 statuiert § 385 I.
II. Nr 2.
1. Unehre.
Rn 5
›Unehre‹ ist bei einer spürbaren Herabsetzung des Ansehens zu befürchten, und zwar nicht innerhalb einer eng zu definierenden Bevölkerungsgruppe, etwa innerhalb des Bekanntenkreises des Zeugen, sondern anhand eines generalisierenden Maßstabes (Zö/Greger § 384 Rz 5) innerhalb der gesamten Rechtsgemeinschaft (Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 4). Verweigern darf man hiernach zB die Frage nach außerehelichem Geschlechtsverkehr (Karlsr NJW 94, 528 [OLG Karlsruhe 06.10.1993 - 2 WF 45/93]). Ist aber eine Straftat, derer sich der Zeuge bezichtigen müsste, verjährt (s.u. Rn 6), so steht dem Zeugen auch der Ausschlussgrund der Unehre nicht zur Seite (Ddorf 13.3.2014 – I- 14 W 18/14 Rz 25). Kein Auskunftsverweigerungsrecht begründet die einer Partei erteilte Zusicherung, zu schweigen; Partei und Zeuge haben es nicht in der Hand, ein ansonsten nicht bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht durch eine Abrede erst zu begründen (Hamm FamRZ 99, 939, 940).
2. Gefahr der Strafverfolgung.
Rn 6
Die Norm setzt nicht voraus, dass bei einer wahren Aussage tatsächlich die Gefahr der Strafverfolgung besteht (Musielak/Voit/Huber § 384 Rz 2; BGHZ 43, 368, 374; München NJW 11, 80, 81); die Frage nach der Beteiligung an einer Straftat muss der ...