I. Anwendungsbereich.
Rn 7
§ 385 II betrifft Personen als Zeugen, die eine besondere Vertrauensstellung innehaben. Deshalb ist das Recht des Zeugen hier ohnehin beschränkt auf die Tatsachen, die ihm gerade im Hinblick auf diese Stellung anvertraut wurden (§ 383 Rn 15). Wenn aber der Vertrauensgeber den Zeugen von der Schweigepflicht entbindet, wäre ein Festhalten an der Zeugnisverweigerung offenkundig unsinnig. Dies regelt § 385 II und stellt damit gleichzeitig klar, dass § 383 letztlich dem Interesse des Vertrauensgebers, nicht demjenigen des Zeugen dient. § 383 I Nr 5 ist in § 385 II dagegen nicht genannt. Bei Presse- und Rundfunkmitarbeitern ist also das Schweigerecht unverzichtbar (§ 383 Rn 18). Bei katholischen Geistlichen – die praktische Relevanz des § 383 I Nr 4 einmal dahingestellt – läuft § 385 II aber ohnehin weitgehend leer, weil diese nach dem Reichskonkordat vom 20.7.33 (Art 9) gleichwohl die Aussage verweigern dürfen.
II. Wirksamkeit der Schweigepflichtentbindung.
Rn 8
Der Ausnahmetatbestand des § 385 II setzt eine wirksame Schweigepflichtentbindung voraus. Bei höchstpersönlichen Interessen, die von der Schweigepflicht geschützt werden, kann nur der Vertrauensgeber selbst eine wirksame Entbindung vornehmen; beim Tod des Vertrauensgebers geht diese Befugnis daher auch grds nicht auf die Erben über (Zö/Greger § 385 Rz 10; Musielak/Voit/Huber § 385 Rz 7). Anderes gilt bei Vermögensangelegenheiten: Hier sind die Erben und andere Rechtsnachfolger berechtigt, die Entbindung zu erklären (Dresd MDR 18, 1193 [OLG Celle 20.06.2018 - 6 W 78/18]; aA wohl Frankf NVersZ 1999, 523; wie hier Musielak/Voit/Huber § 385 Rz 7; Zö/Greger § 385 Rz 10). Zu Fällen der Entbehrlichkeit der Schweigepflichtentbindung bei Tod des Vertrauensgebers s.u. Rn 11. Auch gewillkürt (Celle NJW 55, 1844: Übergang auf Generalbevollmächtigten) oder gesetzlich (BGH GmbHR 21, 445 Rz 25: Übergang auf Insolvenzverwalter, sofern das Vertrauensverhältnis Angelegenheiten der Insolvenzmasse betrifft; Ddorf NJW-RR 94, 958, 959) kann die Befugnis auf Dritte übergehen. Nach Auffassung des LAG Düsseldorf genügt dagegen die bloße Prozessvollmacht zugunsten des Anwalts einer Partei nicht, damit dieser Ärzte des Mandanten von deren Schweigepflicht entbinden könnte (LAG Düsseldorf 19.12.12 – 7 Sa 603/12, Rz 71); jedenfalls muss – ggf durch entsprechende Nachfrage – sichergestellt sein, dass die Entbindungserklärung letztlich vom Vertrauensgeber stammt (BAG NZA 14, 1356 [BAG 08.05.2014 - 2 AZR 75/13] Rz 33). Bei Minderjährigen kommt es – wie bei der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes (§ 383 Rn 7; Musielak/Voit/Huber § 385 Rz 7) – darauf an, ob der minderjährige Vertrauensgeber die ausreichende Verstandesreife hat, um die Bedeutung der Schweigepflichtentbindung beurteilen zu können; fehlt ihm diese Reife, entscheiden für ihn die gesetzlichen Vertreter. Ist Vertrauensgeber eine juristische Person, obliegt die Erklärung den aktuell für die Vertretung zuständigen Personen, ggfs – wenn deren Anliegen betroffen sind – einschließlich der ehemaligen Organvertreter (vgl Priebe ZIP 11, 312, 315). Nicht ausreichend ist wegen § 357, den Vertrauensträger nur zur Vernehmung in Abwesenheit der anderen Partei von der Verschwiegenheit zu entbinden (BAG NZA 14, 1356 [BAG 08.05.2014 - 2 AZR 75/13] Rz 37).
III. Erklärung der Schweigepflichtentbindung.
1. Ausdrücklich.
Rn 9
Die Erklärung kann zum einen ausdrücklich erfolgen, und zwar ggü der Partei (zB wenn ein Dritter Vertrauensgeber ist), ggü dem Zeugen oder ggü dem Gericht. Im letzteren Fall handelt es sich bei der Schweigepflichtentbindung um eine unwiderrufliche Prozesshandlung (Musielak/Voit/Huber § 385 Rz 8), ansonsten ist die Entbindung stets frei widerruflich (aA Zö/Greger § 385 Rz 11: frei widerruflich auch bei Erklärung ggü dem Gericht).
2. Konkludent.
Rn 10
Die Befreiung von der Schweigepflicht ist auch konkludent möglich. Eine derartige Befreiung ist stets anzunehmen, wenn die vertrauensgebende Partei den Zeugen benennt, wenn also etwa ein Patient seinen Arzt oder ein Mandant seinen Rechtsanwalt als Zeugen benennt (Musielak/Voit/Huber § 385 Rz 8). Wirft ein Versicherer einem verstorbenen Versicherungsnehmer vor, er habe über seinen Gesundheitszustand bei Vertragsabschluss getäuscht, ist nicht von einer konkludenten Schweigepflichtentbindung betreffend den damals attestierenden Arzt auszugehen (Karlsr VersR 16, 445 Rz 43).
IV. Entbehrlichkeit der Erklärung.
Rn 11
In Ausnahmefällen kann die Erklärung der Entbindung von der Schweigepflicht entbehrlich sein, nämlich beim Tod des Vertrauensgebers in den Fällen, in denen aufgrund der Interessenlage davon auszugehen ist, dass ein Geheimhaltungsbedürfnis nicht besteht. So hat zB der testierende Erblasser ein Interesse daran, dass nach seinem Tod seine Testierfähigkeit geklärt wird durch Vernehmung des beurkundenden Notars oder des im relevanten Zeitraums behandelnden Arztes (BGH NJW 84, 2893, 2895 [BGH 04.07.1984 - IVa ZB 18/83]; Köln ZEV 18, 530 [KG Berlin 12.01.2018 - 6 W 13/17] Rz 9). Geht also – insb in Fällen von medizinischer Relevanz – der mutmaßliche Wille des Verstorbenen dahin, dass er unter Berücksichtigung seiner wohlverstandenen...