Gesetzestext
Ein Zeuge ist, vorbehaltlich der sich aus § 393 ergebenden Ausnahmen, zu beeidigen, wenn das Gericht dies mit Rücksicht auf die Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage für geboten erachtet und die Parteien auf die Beeidigung nicht verzichten.
A. Zweck der Norm.
Rn 1
Das Verfahren der Eidesleistung ist in §§ 478–484 sowie in § 392 geregelt. Demgegenüber regeln die §§ 391 und 393 die Frage, wann der Zeuge zu beeidigen ist, wann also eine Pflicht des Zeugen zur Eidesleistung besteht.
B. Beeidigung.
I. Ausnahmen.
Rn 2
Die Beeidigung hat zu unterbleiben in den in § 393 geregelten Fällen. Desweiteren ist die Beeidigung unstatthaft, wenn beide Parteien hierauf verzichten (§ 391 aE). Diese Ausnahme gilt freilich nicht in denjenigen Verfahren, in denen der Untersuchungsgrundsatz herrscht, in denen es also auf das prozessuale Verhalten der Parteien grds nicht ankommt (Musielak/Voit/Huber § 391 Rz 2), zB in Ehesachen (§§ 26, 113 IV Nr 8, 121 FamFG). Der Verzicht auf die Beeidigung ist zwar – da Prozesshandlung – unwiderruflich; ein anschließend gleichwohl gestellter Beeidigungsantrag ermächtigt aber das Gericht zur Beeidigung (Zö/Greger § 391 Rz 4). Er gilt aber nur für die jeweilige Instanz, so dass die Partei, die in 1. Instanz auf die Beeidigung verzichtet hat, in der Berufungsinstanz – etwa bei gerade wegen der Aussage des Zeugen ungünstiger erstinstanzlicher Entscheidung – auf der Beeidigung bestehen kann. Entgegen Musielak/Voit/Huber (§ 391 Rz 2) folgt hieraus nicht die freie Widerruflichkeit in jeder Instanz; weshalb eine Partei nicht zumindest für die Instanz an die einmal erklärte Auffassung gebunden sein soll, zumal der Verzicht aus freien Stücken erfolgt, ist nicht ersichtlich. Der Zeuge, der zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, aber eine Aussage geleistet hat, ist berechtigt (quasi als minus), nach erfolgtem Zeugnis die Eidesleistung zu verweigern (Musielak/Voit/Huber § 391 Rz 2; BGHZ 43, 368), wenngleich ein derartiges Vorgehen eine verheerende Auswirkung auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen haben dürfte (Zö/Greger § 391 Rz 1: ›Aussage … damit wertlos‹; aA Musielak/Voit/Huber § 391 Rz 4).
II. Ermessen.
Rn 3
Im Übrigen steht die Frage, ob der Zeuge zu beeidigen ist, in dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BGH NJW 72, 584, 585), dessen tatrichterliche Ausübung im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Ausgangsgericht die Grenzen seines Ermessens verkannt oder missbräuchlich außer Acht gelassen hat (BFH 31.12.12 – III B 95/12, Rz 25). Eine grds Pflicht des Gerichts, den Zeugen zu beeidigen, besteht nicht.
1. Bedeutung der Aussage.
Rn 4
Vielmehr soll zum einen auf die Bedeutung der Aussage abgestellt werden. Dies kann praktisch nur bedeuten, dass die Beeidigung dann unterbleibt, wenn die Aussage nichts Entscheidungserhebliches erbracht hat (BGH NJW 72, 584, 585; Musielak/Voit/Huber § 391 Rz 1), sofern nicht gerade Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Zeuge entscheidungserhebliches Wissen wahrheitswidrig verschweigt.
2. Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage.
Rn 5
Des Weiteren soll die Beeidigung angeordnet werden, um eine wahrheitsgemäße Aussage herbeizuführen. Da der Eid gem § 392 nach der Aussage zu leisten ist, bedeutet dies, dass das Gericht durch die Anordnung des Eides den Zeugen zu einer Abkehr von einer bereits geleisteten unwahren Aussage bewegen soll. Ob dies erreicht werden kann, muss in der Gerichtspraxis als zweifelhaft bezeichnet werden. Allenfalls mag gelegentlich durch die im Vergleich zur uneidlichen Falschaussage erhöhte Strafdrohung beim Meineid, die dem Zeugen vor Ableistung des Nacheids vor Augen geführt werden sollte (iE s § 480 Rn 1), eine Änderung der bereits erfolgten Aussage herbeigeführt werden können (Musielak/Voit/Huber § 391 Rz 1). Einen höheren Beweiswert hat die beeidete Aussage jedenfalls nicht (s.u. Rn 9). Hilfreich mag es zuweilen sein, die Beeidigung auf einen Teil der Aussage zu beschränken (Musielak/Voit/Huber § 391 Rz 1 aE; Zö/Greger § 391 Rz 3 aE), etwa wenn hinsichtlich der anderen Teile der Aussage das Erinnerungsvermögen des Zeugen sichtlich überfordert ist.
C. Verfahren.
I. Zuständigkeit.
Rn 6
Zuständig für die Entscheidung, ob der Zeuge zu beeidigen ist, ist allein das Prozessgericht. Der ersuchte und beauftragte Richter (§§ 361, 362) kann vom Prozessgericht insoweit allenfalls angewiesen werden (Zö/Greger § 391 Rz 6); aus alleiniger Zuständigkeit kann er über die Beeidigung nicht entscheiden, weil ihm die Beurteilungsgrundlagen hinsichtlich der Entscheidungserheblichkeit der Aussage fehlen (Musielak/Voit/Huber § 391 Rz 3).
II. Beschluss.
Rn 7
Die Beeidigung wird durch entsprechenden Beschl des Prozessgerichts (als Nacheid gem § 392 oder bei Beauftragung eines beauftragten oder ersuchten Richters gem §§ 361, 362 bereits im Beweisbeschluss) angeordnet. Eine zu Unrecht unterlassene Beeidigung kann durch rügelose Verhandlung der Partei gem § 295 I geheilt werden (Zö/Greger § 391 Rz 5; BFH 22.11.13 – X B 35/13, Rz 14), weshalb es sich empfiehlt, auch über die Nichtbeeidigung förmlich zu beschließen (›Der Zeuge wird unvereidigt entlassen.‹).
D. Pflicht zur Eidesleistung.
Rn 8
Zur Eidesleistung, zumindest zur eides...