Prof. Dr. Christian Katzenmeier
Rn 1
Zur Erhebung eines Sachverständigenbeweises kann es auf Antrag einer Partei (§ 403), gem § 144 I 1 aber auch vAw (§§ 3, 273 II, 287 I 2, II, 372, 442, vgl § 412) kommen. In der Praxis wird das Gericht idR nur auf einen entspr Parteiantrag hin tätig. Dies entspricht dem Gesamtbild der ZPO (Verhandlungsgrundsatz; s § 284 Rn 39). Dem Beweisantritt nach § 403 kommt damit entscheidende Bedeutung zu. Das Gericht hat jedoch ggf nach § 139 I 2 Hinweise zu erteilen (BGH NJW-RR 19, 719; VersR 09, 517, 518; NJW 87, 591). Eine Beweiserhebung vAw gem § 144 ist aber auch noch möglich, wenn der Auslagenvorschuss gem § 379 nicht gezahlt wurde (s § 402 Rn 2) sowie bei Präklusion gem § 296 (BGH NJW 82, 2317, 2319 [BGH 29.04.1982 - I ZR 70/80] aE; vgl aber BGH NJW 07, 2122 [BGH 20.03.2007 - VI ZR 254/05] zu § 356) und kann so von erheblicher Bedeutung sein, s § 144. Anordnungen nach § 144 I 2, 3 sind (entspr) auch bei einer Beweiserhebung auf Parteiantrag möglich, vgl § 404a Rn 9 aE. Deshalb stellt ein erstmaliger Beweisantrag im Berufungsverfahren kein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel iSd § 531 II Nr 3 dar (so zu Unrecht KG VersR 10, 1471 sub 2a; MDR 10, 345), sondern eine Anregung des Gerichts zum Tätigwerden vAw (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 403 Rz 1). Einem zulässigen Beweisantrag muss das Gericht entsprechen, wenn die Voraussetzungen einer Beweisaufnahme vorliegen; insoweit besteht kein Ermessen (vgl BGH NJW 51, 481, 482 [BGH 12.04.1951 - IV ZR 22/50], wenn auch mit missverständlicher Formulierung; vgl aber im Folgenden), sondern ein ›Recht auf Beweis‹ (Habscheid ZZP 96, 306; Justizgewährungsanspruch iRd § 286; zu § 287s BGH NJW 95, 1619 [BGH 14.02.1995 - VI ZR 106/94]; MDR 07, 538; s allg § 284). Einen Beurteilungsspielraum hat das Gericht allerdings bei der Frage, ob besondere Sachkunde erforderlich ist (Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 286) und ob es selbst über diese verfügt (BGH NJW-RR 00, 1547, 1548 [BGH 13.07.2000 - VII ZR 139/99]; 07, 357, 358 [BGH 23.11.2006 - III ZR 65/06]; s.u. Rn 5). Im Anschluss an ein selbstständiges Beweisverfahren ist eine Einholung im Hauptsacheprozess grds nur noch unter den Voraussetzungen des § 412 geboten (§ 493, vgl § 411 Rn 31; zum Anwendungsbereich s § 411a Rn 6), zur mündlichen Erläuterung § 411 Rn 17–25. Außerdem kann ein Vorgehen nach § 411a die Einholung eines neuen (schriftlichen) Gutachtens entbehrlich machen; uU ein sonstiges (Privat-)Gutachten, s vor §§ 402 ff Rn 7. Zwingend ist die Einholung im Falle des § 14 III RVG (keine Bindungswirkung, BGH NJW 08, 3641 [BGH 25.09.2008 - IX ZR 133/07]). Mit der Umformulierung des § 144 I 1 durch G v 12.12.19, BGBl I, 2633 sollte iÜ deutlicher als bisher geregelt werden, dass sich das Gericht zur fachlichen Unterstützung der besonderen Sachkunde eines SV auch unabhängig von einer Beweisaufnahme in einem frühen Verfahrensstadium verfahrensbegleitend zu Beratungszwecken bedienen kann (›Hinzuziehung‹; vgl RegE BTDrs 19/13828, 18 f; dazu Motzke DS 22, 19; Greger DS 22, 95).