Prof. Dr. Christian Katzenmeier
1. Anwendungsbereich.
a) Verfahren.
Rn 2
Für die Anwendung des § 406 spielt es keine Rolle, ob der SV aufgrund Parteiantrags oder vAw zugezogen wurde; die Norm gilt im Prozesskostenhilfeverfahren genauso wie im Verfahren des einstw Rechtsschutzes (die Eilbedürftigkeit kann einschr zu berücksichtigen sein, vgl Nürnbg MDR 77, 849; NJW 78, 954 [OLG Nürnberg 14.12.1977 - 3 W 112/77]). Auch im selbstständigen Beweisverfahren ist eine Ablehnung grds möglich, § 492 Rn 3, zu den Einschränkungen der Ablehnung im Hauptsacheprozess und zum Streithelfer s Rn 19, 21.
b) Gleichgestellte Personen.
Rn 3
Für Dolmetscher gilt die Norm gem § 191 GVG, für Übersetzer ohnehin soweit diese SV sind, iÜ ggf entspr.
c) Behörden und sonstige öffentliche sowie private Einrichtungen.
Rn 4
Einrichtungen kommen schon nicht als SV in Betracht (s § 404 Rn 6). Bei Behörden etc sind vorrangige Spezialregelungen zu beachten (zB § 192 III 1 BauGB; vgl BGHZ 62, 93, 95 = NJW 74, 701; vgl auch BFG DStRE 97, 223). Behörden können als solche grds schon deshalb nicht abgelehnt werden, weil die Ablehnungsgründe auf natürliche Personen zugeschnitten sind (Jena OLG-NL 05, 118; Frankf OLGR 98, 381; Hamm NJW-RR 90, 1471; Stuttg NJW-RR 87, 190; Köln BauR 80, 588; KG NJW 71, 1848). Eine Ablehnung darf zudem nicht mit einer gesetzgeberischen Aufgabenzuweisung konfligieren (OVG Nds BauR 08, 1441). Str ist die Möglichkeit einer Ablehnung, wenn die Behörde selbst oder ihr Träger an dem Rechtsstreit als Partei beteiligt ist. Nach tvA können einzelne Akteure abgelehnt werden (vgl BVerwG NJW 88, 2491 [BVerwG 11.01.1988 - BVerwG 4 B 256.87]; NJW 69, 1591 [BVerwG 06.12.1968 - BVerwG V B 52.68]; VGH München NVwZ-RR 96, 328; St/J/Berger § 406 Rz 3; zum abhängigen Dienstverhältnis s.u. Rn 13). Nach aA ist eine Ablehnung gänzlich ausgeschlossen, die Gründe sind dann aber bei der Beurteilung des Beweiswertes iRd Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl BGHZ 62, 93, 95 = NJW 74, 701; Köln BauR 80, 588).
d) Hilfspersonen.
Rn 5
Hilfspersonen des SV können selbst nicht abgelehnt werden (Zweibr MDR 86, 417; vgl aber Ddorf MDR 08, 104 [OLG Düsseldorf 11.06.2007 - I-21 W 19/07]: Verwertungsverbot, iÜ § 407a Rn 3–7), Umstände in deren Person können jedoch eine Ablehnung des SV rechtfertigen (Karlsr Justiz 80, 79; Köln OLGZ 83, 121).
e) Privatgutachter.
Rn 6
Diese können nicht abgelehnt werden, da sie keine SV iSd §§ 402 ff sind (s vor §§ 402 ff Rn 8).
f) Sachverständiger Zeuge.
Rn 7
Dieser kann nicht abgelehnt werden (vgl KG MDR 09, 946 [KG Berlin 05.05.2009 - 1 W 430/07]), ein abgelehnter SV kann ggf als solcher vernommen werden (§ 414 Rn 3).
2. Ablehnungsgründe.
Rn 8
Eine Ablehnung lässt sich auf die Ausschließungsgründe des § 41 (mit Ausnahme der Nr 5, s.u.) und auf die Besorgnis der Befangenheit stützen, § 42 II. Einen Ausschluss kraft Gesetzes gibt es nicht (auch nicht nach einem Beitritt des SV nach Streitverkündung, BGH NJW-RR 06, 1221 [BGH 12.01.2006 - VII ZR 207/04], die ohnehin nach der klarstellenden Gesetzesänderung unzulässig ist, § 72 II; s schon BGH NJW 06, 3214 [BGH 27.07.2006 - VII ZB 16/06]; 07, 919; zur Ablehnung wegen erfolgten Streitbeitritts s Rn 24).
a) Ausschließungsgründe (§§ 406 I 1, 41).
Rn 9
Absolute Ablehnungsgründe ergeben sich aus einem besonderen Bezug des SV zur Sache, insb einer persönlichen Beziehung zu einer Partei. Gemäß § 406 I 2 rechtfertigt eine frühere Vernehmung als Zeuge (Vorinstanz, früheres Verfahren) abw von § 41 Nr 5 die Ablehnung nicht. IdR gibt eine frühere Beteiligung als SV ebenso wenig Anlass zu Zweifeln an dessen Unparteilichkeit (Gutachtenerstattung ist nicht Beteiligung am Erlass der Entscheidung iSv § 41 Nr 6, vgl BGH MDR 61, 397; München VersR 94, 704; für das frühere Strafverfahren Köln MDR 90, 1121, 1122; das parallele Strafverfahren BGH MDR 64, 63; Verfahren im einstw Rechtsschutz Nürnbg NJW 78, 954 [OLG Nürnberg 14.12.1977 - 3 W 112/77]; Tätigkeit in unterschiedlichen Stufen eines Verwaltungsverfahrens BVerwG NuR 07, 754 [BVerwG 18.06.2007 - BVerwG 9 VR 13.06]). Ein SV kann jedoch in entspr Anwendung von § 41 Nr 8 abgelehnt werden, wenn er in derselben Sache in einem Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung, etwa vor der Gutachterkommission und Schlichtungsstelle einer Landesärztekammer, als SV mitgewirkt hat (BGHZ 213, 131 = NJW 17, 1247 m Anm Gössl; hingegen keine Befangenheit iSv § 42, vgl Braunschw MedR 90, 356; Frankf GesR 10, 545).
b) Besorgnis der Befangenheit (§§ 406 I 1, 42).
aa) Maßstab.
Rn 10
Wie bei der Ablehnung eines Richters kommt es nicht darauf an, dass der SV tatsächlich befangen ist. Vielmehr ist entscheidend, dass aus Sicht des Ablehnenden bei objektiver Wertung ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des SV zu rechtfertigen (stRspr BGH NJW 05, 1869, 1870 [BGH 15.03.2005 - VI ZB 74/04]; sog parteiobjektiver Maßstab), wobei eine unbewusste Voreingenommenheit ausreicht. Weil für diese Beurteilung die Umstände des Einzelfalles den Ausschlag geben, lassen sich allg Grundsätze kaum ableiten, sondern einzig (nicht abschließende und ineinander übergehende) Fallgruppen ausmachen (s dazu Rn 11–17). Bei mehreren Rügen ist eine Gesamtschau erforderlich (Kobl MDR 08, 1298; Saarbr OLGR 08, 527; Köln OLGR 04, 290; Jena BauR 04, 1815).
bb) Fallgruppen.
(1) Beziehungen zu einer Partei, Eigeninteresse.
Rn 11
Zweifel an der Unparteili...