Prof. Dr. Christian Katzenmeier
1. Übertragung – Mitarbeit.
a)
Rn 3
Der SV hat das Gutachten eigenverantwortlich zu erstatten. Er ist nicht befugt, die Begutachtung zu übertragen oder sich vertreten zu lassen, darf aber Hilfskräfte hinzuziehen. Er ist befugt, Literatur zu Rate zu ziehen und Auskünfte anderer Sachkundiger einzuholen (BGH VersR 60, 998), muss aber selbst die sachkundige Wertung vornehmen und insgesamt für die Begutachtung erkennbar die volle Verantwortung übernehmen (BGH VersR 78, 1105, 1106; Dresd VersR 23, 1318; s.a. Rn 1, § 404 Rn 2, 8). Die Mitarbeit anderer Personen darf deshalb über unterstützende Dienste nicht hinausgehen, die wissenschaftliche Auswertung obliegt dem SV (Bremen OLGR 08, 542; vgl Frankf OLGR 07, 586). Der SV muss stets den unverzichtbaren Kern der das Gutachten prägenden Zentralaufgaben selbst wahrnehmen (BSG NZS 04, 559: psychiatrisches Gutachten; dazu auch Köln GesR 11, 726; s aber auch BSG GesR 07, 236). Die Einschaltung von Mitarbeitern ist üblich und aus praktischen Gründen wohl auch häufig unumgänglich. Die Grenzziehung zwischen zulässiger unterstützender Mitarbeit (Vorarbeiten) und unzulässiger Delegation der Gutachtenerstattung ist aber auch nach Einfügung des § 407a III schwierig und in der Praxis gerade bei medizinischen Sachverständigengutachten häufig Streitpunkt (s Dresd NJW-RR 21, 318, 319; KG GesR 10, 608; München OLGR 07, 208 = MedR 07, 350 – LS; Karlsr VersR 04, 1121; zum Insolvenzsachverständigen Hofmann ZIP 06, 1080).
b)
Rn 4
Im Einzelfall kann es genügen, wenn der SV die wissenschaftliche Auswertung nachvollzieht, sich die fremden Ausführungen zu eigen macht und verantwortlich zeichnet (Zweibr VersR 00, 605, 607; Kobl VersR 00, 339 – LS). Insoweit genügt aber nicht das bloße Abzeichnen mit ›einverstanden‹ (BVerwG NJW 84, 2645). Häufig kann die sachliche Verantwortlichkeit nur in einer mündlichen Anhörung (§ 411 III) ermittelt oder übernommen werden (vgl Bremen OLGR 08, 542; Frankf OLGR 07, 586; VersR 94, 610), ausnahmsweise in einer schriftlichen Ergänzung. Um eine Umgehung der §§ 404, 407a zu vermeiden, kann auch insoweit ein bloßes ›Abnicken‹ nicht genügen, es muss vielmehr die inhaltliche Durchdringung und Verantwortlichkeit vermittelt werden (BGH VersR 72, 927; BVerwG NJW 84, 2645; Zweibr VersR 00, 605, 607).
2. Offenlegungspflicht.
Rn 5
Eine Mitarbeit ist zulässig, aber offenzulegen, sofern es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt (wie zB Materialsammlung, Vermessungen oder Schreibarbeiten, s dazu Schikora MDR 02, 1033, 1034).
3. Rechtsfolgen, Heilung, Präklusion, Ausweg.
a)
Rn 6
Fehlt die erforderliche Kenntlichmachung der Mitarbeit, so ist das Gutachten nicht verwertbar, es kommt aber eine Heilung gem § 295 in Betracht, ggf Präklusion gem §§ 411 IV, 296.
b)
Rn 7
Ein Gutachten, das nicht (hinreichend verantwortlich) durch den bestellten SV erstellt wurde (§ 404 I), ist unverwertbar. aa) Fraglich ist, ob auch insoweit eine Heilung gem § 295 in Frage kommt (bejahend Zweibr VersR 00, 605, 607; NJW-RR 99, 1368) oder Präklusion gem §§ 411 IV (insb S 2) iVm 296 (vgl Kobl VersR 00, 339 – LS). Es wird danach zu differenzieren sein, ob die Grenzen einer an sich zulässigen Mitarbeit überschritten wurden oder aber ein Gutachten derart selbstständig von einem Mitarbeiter erstellt wurde, dass eine Übertragung vorliegt. Dann handelt es sich nicht mehr um ein Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen (§ 404 I) und sowohl Heilung über § 295 als auch Präklusion scheiden aus. Die Grenzziehung ist freilich schwierig. bb) Ebenfalls in Betracht kommt eine Entlassung des ursprünglich bestellten SV und Ernennung des tatsächlichen Erstellers zum gerichtlichen SV, §§ 412 I, 404 I 3, 360, vgl auch 408 I 2; BGH NJW 85, 1399 [BGH 08.01.1985 - VI ZR 15/83]: auch stillschweigend, aber nicht ›heimlich‹ (rechtliches Gehör, § 360 S 4), nach Erstattung vor Erledigung, § 360 S 2; die Zulässigkeit nach Erstellung bejahend Oldbg MedR 12, 332, 333 [OLG Oldenburg 17.01.2011 - 5 U 187/10]; BayOblG NJW 03, 216, 218 f [BayObLG 05.07.2002 - 1 Z BR 45/01]; aA insoweit BSG NJW 65, 368 [BSG 01.12.1964 - 11 RA 146/64]. Problematisch kann sein, ob der tatsächliche Ersteller (zB Ober- oder Assistenzarzt) über eine ausreichende Qualifikation verfügt, § 404 I. Zur möglichen Verwertung im Wege des Urkundenbeweises s vor §§ 402 ff Rn 7.
c)
Rn 8
Zum Verlust des Vergütungsanspruchs s § 413 Rn 4–6.