Prof. Dr. Christian Katzenmeier
aa)
Rn 19
Eine Pflicht des Gerichts, den SV vAw zur mündlichen Erläuterung zu laden, kann sich aus seiner Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts (§§ 286, 411 III) ergeben. Das Ermessen des Gerichts ist insoweit gebunden, als vorhandene Aufklärungsmöglichkeiten zur Beseitigung von Unklarheiten des Gutachtens nicht ungenutzt bleiben dürfen. Neben der eigenen Auseinandersetzung mit dem Gutachten bietet sich je nach Zweckmäßigkeit kumulativ oder alternativ die Möglichkeit, den SV zur mündlichen oder schriftlichen Erläuterung oder Ergänzung seines Gutachtens zu veranlassen. Dabei ist auch die Möglichkeit zu berücksichtigen, nach § 412 zu verfahren (BGH NJW 92, 1459). Weder dem Recht noch der Pflicht zur Anordnung nach Abs 3 steht es entgegen, wenn eine Partei ihr Antragsrecht wegen Verspätung verloren hat (BGH NJW 92, 1459 [BGH 10.12.1991 - VI ZR 234/90]).
bb)
Rn 20
Eine Erläuterung oder Ergänzung ist etwa dann zu veranlassen, wenn der SV von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (BGH NJW 81, 2009; NJW-RR 98, 1035 [BGH 11.02.1998 - IV ZR 37/97]) sowie im Falle unvollständiger (BGH NJW 97, 803) oder unklarer (BGH MDR 82, 212) Ausführungen des SV. Eine mündliche Erläuterung wird insb dann vorzugswürdig sein, wenn Widersprüche zu einem anderen, auch privaten Gutachten bestehen (BGH NJW-RR 98, 1527 [BGH 15.07.1998 - IV ZR 206/97]; NZV 97, 72, 73 [BGH 09.10.1996 - VIII ZR 298/95]; NJW-RR 94, 219 [BGH 13.10.1993 - IV ZR 220/92]; Köln NJW 94, 394 [OLG Köln 02.04.1993 - 6 U 163/92]). Unklarheiten, Zweifel und Widersprüche zwischen verschiedenen Bekundungen des SV hat das Gericht durch eine gezielte Befragung zu klären (BGH NJW 01, 2791 [BGH 27.03.2001 - VI ZR 18/00]; vgl BGH NJW 03, 2311 [BGH 06.05.2003 - VI ZR 259/02]).
cc)
Rn 21
Eine Ergänzung oder Erläuterung ist nicht mehr geboten, wenn das schriftliche Gutachten so eklatante Mängel aufweist, dass bereits sicher feststeht, dass es auch nach einer mündlichen Erläuterung nicht verwertet werden kann. Dabei ist jedoch das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung (BGH VersR 09, 517) zu beachten.