Prof. Dr. Christian Katzenmeier
I. Abs 1.
1. Mündliche oder schriftliche Begutachtung.
Rn 5
Es steht grds im Ermessen des Gerichts, ob es die persönliche Vernehmung des SV oder die schriftliche Begutachtung anordnet. Die schriftliche Begutachtung ist nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft (insb ist § 377 III nicht anwendbar und ein Einverständnis der Parteien nicht erforderlich; vgl BGHZ 6, 398 = NJW 52, 1214) und kann auch noch nach mündlicher Vernehmung erfolgen. Welche Art der Begutachtung zu bevorzugen ist, hängt vom Einzelfall ab. Bei schwierigen und komplexen Sachfragen (ggf Vorabklärung mit SV, § 404a II) kann eine schriftliche Begutachtung mit mündlicher Erläuterung geboten sein, so etwa regelmäßig in Arzthaftungsfällen (vgl EGMR NJW 11, 1055; Karlsr VersR 89, 810; Katzenmeier Arzthaftung S 412; wohl aA Schneider/Schmaltz NJW 11, 3270, 3272). Jedenfalls ist bei einem mündlich erstatteten Gutachten, das ausführliche Beurteilungen zu schwierigen Fragen enthält, nach Vorliegen des Vernehmungsprotokolls (ggf nach anderweitiger sachverständiger Beratung) den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (BGHZ 219, 77, 85 = NJW 18, 2723, 2724; BGH NJW 09, 2604, 2605). Dies gilt auch, wenn bereits ein schriftliches Gutachten vorlag, das mündliche, aber neue und ausführliche Beurteilungen enthält (Recht der Stellungnahme zum Beweisergebnis, Art 103 I GG, § 136, faires Verfahren; BGH NJW 84, 1823 [BGH 17.04.1984 - VI ZR 220/82]; NJW 01, 2795 [BGH 03.07.2001 - VI ZR 418/99]); auch Ausführungen in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz sind zur Kenntnis zu nehmen, ggf ist die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, § 156 (BGH VersR 11, 1158 = MedR 12, 250; NJW 88, 2302). Allg ist besondere, kritische Sorgfalt auch dann anzuwenden, wenn der Sachverständigenbeweis den Prozessausgang entscheidend beeinflusst (vgl zu einem aktienrechtlichen Spruchverfahren BVerfG NJW 98, 2273; zum Arzthaftungsprozess BGH VersR 09, 499). Auf der anderen Seite ist der Kosten- und Zeitaufwand gerade einer schriftlichen Begutachtung zu beachten, weshalb das Schrifttum in jüngerer Zeit vermehrt die Vorzüge mündlicher Gutachtenerstattung betont (etwa Keders/Walter NJW 13, 1697, 1701; Schneider/Schmaltz NJW 11, 3270, 3272; Stamm ZZP 124, 433, 450; zur Staatshaftung bei überlanger Verfahrensdauer s.a. § 198 GVG, § 128b PatG). Zu schriftlicher Ergänzung und mündlicher Erläuterung s.a. Rn 17–25.
2. Verfahren.
a) Mündliche Gutachtenerstattung.
aa)
Rn 6
Diese erfolgt gem §§ 402, 394 II ff durch Vernehmung des SV. Zuständig ist grds das Prozessgericht. Vernehmung durch den beauftragten oder ersuchten Richter nach Maßgabe des § 375; bei komplexen und schwierigen Fachfragen und einer erheblichen Bedeutung für den Prozessausgang dürfte aber eine Beweisaufnahme vor dem Kollegium geboten sein (vgl BGH NJW 80, 2751; 94, 801; Karlsr VersR 89, 810; s.a. den Katalog des § 348 I 2 Nr 2). Für die Durchführung gelten die §§ 394 II ff entspr, für die Ladung § 377 I, II.
bb)
Rn 7
Der geladene SV muss persönlich erscheinen (§ 407a III, vgl Rn 25). Der beim Zeugenbeweis geltende Grundsatz der Einzelvernehmung (§ 394 I) gilt nur, soweit Sinn und Zweck der Vorschrift dies erfordern, dh nur soweit eine Gefahr der (unzulässigen) Beeinflussung besteht. Hat das Gericht eine gemeinschaftliche Gutachtenerstattung durch mehrere Sachverständige angeordnet (s § 404 Rn 2), können diese stets auch gemeinschaftlich vernommen werden, bei mehreren getrennten Gutachten steht dem Gericht insoweit ein Ermessen zu (RGZ 8, 343, 345). Sofern Überschneidungen bestehen, kann nicht pauschal angenommen werden, SV ließen sich nicht durch andere beeinflussen (vgl aber RGZ 8, 343, 346; St/J/Berger § 402 Rz 8), vielmehr kommt es auf den Einzelfall an.
cc)
Rn 8
Eine Befragung gem §§ 362 ff ist möglich (zur Befragung eines im Ausland ansässigen SV nach § 363s BGH MDR 80, 931: kein Zwang zum Erscheinen vor einem deutschen Gericht).
dd)
Rn 9
Protokollierung s § 160 III Nr 4 (BGH NJW 95, 779 [BGH 27.09.1994 - VI ZR 284/93]: ersetzender Vermerk des Berichterstatters bei Einverständnis der Parteien; BGH NJW 03, 2311 [BGH 06.05.2003 - VI ZR 259/02]: Fehlen bedeutet Verstoß gegen § 286). Bei ungenügender Protokollierung ist die Anhörung in der Berufungsinstanz zu wiederholen (BGH NJW 01, 3269, 3270). Zur Gewährung rechtlichen Gehörs nach Vorliegen des Vernehmungsprotokolls s Rn 5.
ee)
Rn 10
Die Säumnis auch der antragstellenden Partei muss einer Anhörung nicht entgegenstehen, Verwertung bei einer Entscheidung nach §§ 331a, 251a ist möglich (BGH NJW 02, 301 [BGH 25.10.2001 - III ZR 43/01]).
ff)
Rn 11
Zum Nichterscheinen s § 409.
b) Schriftliche Gutachtenerstattung.
aa) Anordnung und Fristsetzung.
Rn 12
Gemäß § 358 durch Beweisbeschl. Das Gericht (Vorsitzender, § 273) setzt dem SV eine nach Umfang und Schwierigkeit des Gutachtenauftrags angemessene Frist, s Rn 1.
bb) Übermittlung und Form.
Rn 13
Das Gutachten ist an die Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts zu übermitteln; nach freier Wahl des SV ist neben Übersendung per Post etc (nicht jedoch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle) unter den Voraussetzungen des § 130a eine elektronische Übermittlung zulässig. Eine Beglaubigung der Unterschrift ist nicht erforderlich, Unklarheiten können zB üb...