Rn 30

Der Beweis der Unrichtigkeit nach § 415 II wird häufig als Gegenbeweis der Unrichtigkeit bezeichnet (BGH NJW 90, 2125 [BGH 07.06.1990 - III ZR 216/89]; ThoPu/Seiler § 415 Rz 6). Es findet sich auch die Formulierung, dass der Gegenbeweis durch Beweis des Gegenteils zu erbringen sei (BVerfG NJW-RR 02, 1008 [BVerfG 20.02.2002 - 2 BvR 2017/01]; Zö/Feskorn § 418 Rz 4; s.a. BGH NJW 02, 3027, 3028 [BGH 18.06.2002 - VI ZR 448/01] zum anwaltlichen Empfangsbekenntnis). Für den Rechtsanwender sind vornehmlich die Anforderungen, die an den Beweis zu stellen sind, von Interesse. Insofern ist es von Bedeutung, dass er aus den verschiedenen Begriffen keine falschen Schlüsse zieht. Im Beweisrecht wird zwischen Hauptbeweis, Gegenbeweis und Beweis des Gegenteils unterschieden (Schilken/Brinkmann ZPR § 9 Rz 31). Der Gegenbeweis der nicht beweisbelasteten Partei zur Widerlegung der Beweisführung der beweisbelasteten Partei ist bereits dann gelungen, wenn die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der behaupteten Tatsache erschüttert ist. Dagegen ist der Beweis des Gegenteils ein Hauptbeweis. Ein Beweis des Gegenteils muss geführt werden, wenn als Folge einer gesetzlichen Vermutung dem Gegner die Beweislast für die Widerlegung der vermuteten Tatsache auferlegt ist (s § 292 S 1). Die Entkräftung der gesetzlichen Beweisregel des § 415 I durch den Nachweis der unrichtigen Beurkundung entspricht in ihren Anforderungen dem Beweis des Gegenteils, da der Gegner einen Hauptbeweis für die Unrichtigkeit erbringen muss (MüKoZPO/Schreiber § 415 Rz 30; vgl auch Jäckel MDR 21, 465, 468). Diese Parallelität ist auch stimmig, weil der formellen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde nicht nur der Beweiswert tatsächlicher Vermutungen beigemessen werden kann (aA MüKoZPO/Schreiber § 415 Rz 30). Der Beweiswert resultiert vielmehr daraus, dass die öffentliche Urkunde letztendlich Manifestation staatlicher Urkundsgewalt ist und deshalb für den Richter bindend Beweis erbringen darf. Anders als bei dem Beweis des Gegenteils zur Widerlegung einer gesetzlichen Vermutung, der nach § 292 S 2 auch durch Parteivernehmung geführt werden kann, ist dieses Beweismittel wegen § 445 II für den Nachweis der Falschbeurkundung ausgeschlossen. Insofern unterscheidet sich die Widerlegung einer gesetzlichen Vermutung von der Widerlegung einer infolge der gesetzlichen Beweisregel bereits bewiesenen Tatsache. Bei einer rein funktionalen Betrachtung spricht gleichwohl nichts dagegen, den Beweis der Falschbeurkundung, weil er den Anforderungen eines Hauptbeweises folgt, als Beweis des Gegenteils zu klassifizieren (so Wieczorek/Schütze/Ahrens § 415 Rz 35; aA MüKoZPO/Schreiber § 415 Rz 30: Gegenbeweis, an den höhere Anforderungen als gewöhnlich zu stellen sind).

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