a) Bedeutung des Merkmals.
Rn 4
Da die Beweiskraft der Privaturkunde über eine Erklärung sich auf die Abgabe der Erklärung durch den Aussteller bezieht, muss die Privaturkunde notwendigerweise einen Aussteller erkennen lassen. Die Beweiswirkung hängt deshalb davon ab, dass die Urkunde von den Ausstellern unterzeichnet wurde, wobei die Unterzeichnung durch Unterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen erfolgen kann.
Rn 5
Die Funktion, die der Unterzeichnung durch den Aussteller im Urkundenbeweisrecht zukommt, unterscheidet sich von der Funktion des Merkmals Unterzeichnung in § 126 BGB. Bei § 416 dient das Erfordernis der Unterzeichnung dem Zweck, die Authentizität der Erklärung zu gewährleisten (MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 7; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 6). Es ist somit ein notwendiges, aber auch ein hinreichendes Kriterium der Unterzeichnung, dass sie den Aussteller der Urkunde zu erkennen gibt. Dagegen genügt eine Urkunde nur dann der Schriftform nach § 126 BGB, wenn sie von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet wurde. Mit dem Erfordernis der eigenhändigen Namensunterschrift formuliert § 126 BGB strengere Vorgaben als § 416, so dass eine Urkunde, die den Anforderungen an die Erfüllung der Schriftform gem § 126 BGB nicht genügt, gleichwohl Instrument eines Urkundenbeweises sein kann (s im Einzelnen Rn 8). Die Namensunterschrift ist im Urkundenbeweisrecht keine Voraussetzung der formellen Beweiskraft; eine vorhandene Namensunterschrift ist vielmehr nur bei der (vorrangigen) Prüfung der Echtheit der Urkunde von Bedeutung (§§ 439, 440). Mit der Namensunterschrift wird die Echtheit des Urkundeninhalts gesichert (MüKoBGB/Einsele § 126 Rz 17) und damit eine Voraussetzung für die Beweiswirkung der Urkunde geschaffen.
b) Aussteller.
Rn 6
Da die formelle Beweiskraft der Urkunde sich auf die Abgabe der Erklärung durch den Aussteller bezieht, ist Aussteller derjenige, der die Erklärung abgegeben hat, wobei es nicht entscheidend darauf ankommt, wer die Erklärung niedergeschrieben hat (Zö/Feskorn § 416 Rz 8). Entscheidend ist, dass die Unterzeichnung der in der Urkunde enthaltenen Erklärung mit Wissen und Wollen des Ausstellers erfolgt ist (Hambg 27.10.22 – 15 U 118/20; zur Unterzeichnung durch Dritte Rn 10). Die materiell-rechtliche Zuordnung der Erklärung spielt für die Eigenschaft als Aussteller der Urkunde keine Rolle; gleiches gilt für materiell-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzungen (MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 4).
c) Unterschrift.
Rn 7
Die Urkunde muss von den Ausstellern unterzeichnet sein, um formell Beweis für die Abgabe der Erklärung durch die Aussteller zu erbringen (Urkundeneigenschaft verneint für nicht unterschriebenen Sparbucheintrag: München MDR 08, 1353). Dabei ist es für die Beweiskraft der Urkunde unerheblich, ob die Unterschrift vor oder nach Erstellung des Textes geleistet wurde (BGHZ 22, 128, 132; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 10; Zö/Feskorn § 416 Rz 4, 9; vgl auch Musielak/Voit/Huber § 416 Rz 2 aE). Auch eine Blankounterschrift ist eine hinreichende Unterzeichnung (BGH NJW-RR 15, 819, 821; BGHZ 104, 172, 176 = NJW 88, 2741; BGH NJW 86, 3086; s § 440 Rn 7).
aa) Abgrenzung zum Erfordernis der Namensunterschrift.
Rn 8
Anders als § 126 BGB verlangt § 416 keine Namensunterschrift (s aber § 440). Erforderlich ist nur, dass der Aussteller, der die Erklärung unterzeichnet hat, sich unter Zuhilfenahme des Urkundeninhalts zweifelsfrei feststellen lässt (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 6; MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 7; Zö/Feskorn§ 416 Rz 3). Im Regelfall kann der Aussteller jedenfalls dann identifiziert werden, wenn er mit seinem Familiennamen unterzeichnet hat, was jedoch kein Erfordernis der Unterzeichnung ist (s aber § 440 Rn 4; Ausnahme: kirchliche Würdenträger, Angehörige des Hochadels). Das gilt auch für sog Allerweltsnamen (Meier, Müller usw), solange sich mithilfe des Urkundentextes die Person des Ausstellers ermitteln lässt (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 6; MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 7). Die Verwendung des Vornamens, eines Künstlernamens, eines Pseudonyms oder eines Spitznamens reicht aus, wenn hiermit die Identifizierung des Ausstellers möglich ist (BayObLG Rpfleger 79, 336, 337; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 7; MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 7). Amts- und Berufsbezeichnungen oder Familienbezeichnungen (Vater, Mutter usw) genügen, wenn anhand dieser Bezeichnung unter Berücksichtigung des Urkundeninhalts der Aussteller ermittelt werden kann (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 7; MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 7; Zö/Feskorn § 416 Rz 3; Musielak/Voit/Huber § 416 Rz 2). Der Kaufmann kann gem § 17 HGB mit seiner Firma zeichnen (auch Sach- oder Fantasiefirma: Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 7). Möglich ist ferner die Unterzeichnung mit einem firmenartigen Kollektivnamen (RG Gruchot 31, 902, 904; MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 7).
Rn 9
Abkürzungen, Initialen und Paraphen sind Handzeichen (s Rn 13), die für sich genommen die Zuordnungsfunktion der Unterschrift nicht erfüllen (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 11; zur Paraphe Musie...