Rn 18
Von der Beweisregel des § 416 nicht erfasste Umstände unterliegen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 I). Das gilt insb für Ort und Zeit der Abgabe der Erklärung (BGH NJW-RR 90, 737, 738; 93, 1379, 1380 [BGH 24.06.1993 - IX ZR 96/92]; MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 9; Musielak/Voit/Huber § 416 Rz 4; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 18, 23). Ist in der Urkunde ein Datum enthalten, ist damit nur die Angabe des Datums formell bewiesen, nicht aber die Richtigkeit der Angabe (BGH NJW-RR 90, 737, 738 [BGH 05.02.1990 - II ZR 309/88]; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 23; Musielak/Voit/Huber § 416 Rz 4).
Rn 19
Die inhaltliche Richtigkeit der Erklärung ist nicht Gegenstand des Urkundenbeweises nach § 416. Ob die in der Urkunde bestätigten Vorgänge wirklich geschehen sind, ob insb ein Rechtsgeschäft zustande gekommen ist und welchen Inhalt es ggf hat, unterliegt also der freien richterlichen Beweiswürdigung (BGH NJW-RR 89, 1323, 1324 [BGH 11.05.1989 - III ZR 2/88]; NJW-RR 15, 819, 820 [BGH 12.03.2015 - V ZR 86/14] mwN; NJW 19, 421, 423 [BVerfG 20.11.2018 - 1 BvR 2716/17]). Bei unterschriebenen Vertragsurkunden ist allerdings die Vollständigkeit und Richtigkeit tatsächlich zu vermuten. Der Gegner, der sich auf eine mündliche Nebenabrede beruft, hat diese zu beweisen (BGH NJW 80, 1680, 1681; ZIP 05, 391, 393; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 27; MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 10; Zö/Feskorn § 416 Rz 10; vgl auch Jena MDR 20, 1399 [OLG Jena 26.06.2020 - 4 U 279/19]). Entsprechend genießen Sitzungsniederschriften nach § 34 BetrVG vor dem Hintergrund ihrer besonderen Dokumentationsfunktion und den Schutzvorkehrungen gegen mögliche Unrichtigkeiten einen besonderen Beweiswert (BAG NZA 15, 370, 373). Unterschriebene Übernahmequittungen beweisen die Abgabe der Erklärungen; ihnen kommt damit ein materieller Beweiswert zu, der jedoch durch jeden Gegenbeweis entkräftet werden kann (BGH MDR 18, 750, 751; MDR 14, 1455 mwN). Derartige Vermutungen der Richtigkeit können freilich nicht auf § 416 selbst gestützt werden (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 23; anders BGH ZIP 05, 391, 393; BAG NZA 15, 370, 373; vgl auch BGH MDR 18, 750, 751; MDR 14, 1455). Setzt die Wirksamkeit eines Geschäfts die (von der Abgabe zu unterscheidende) Begebung voraus, wird der Tatbestand der Begebung als solcher nicht von der formellen Beweiskraft erfasst; allerdings spricht der Besitz der Urkunde dafür, dass sie dem Besitzer ausgehändigt wurde (MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 10).