Gesetzestext
Privaturkunden begründen, sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind.
A. Beweismittel ›Privaturkunde‹.
I. Urkundsbeweis durch Privaturkunde.
Rn 1
§ 416 regelt als bindende Beweisregel (§ 415 Rn 1) die formelle Beweiskraft der privaten Urkunde über eine Erklärung (zum Urkundenbegriff allg s § 415). Gegenstand des Beweises ist die Abgabe der Erklärung. Die Anwendung der Beweisregel setzt die Unversehrtheit (vgl § 419) und die Echtheit der Urkunde (§§ 439, 440) voraus. Der Beweis wird grds durch die Vorlage des Originals geführt (s § 420). Praktisch bedeutsamer als die Beweisregel zur Abgabe der Erklärung ist allerdings der Beweis der Echtheit des Urkundentextes gem § 440 I mit der sich auf die Echtheit des Textes beziehenden Vermutungsregel des § 440 II (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 22). Da nur echte Urkunden formelle Beweiskraft entfalten (vgl BGH NJW-RR 15, 819, 821 [BGH 12.03.2015 - V ZR 86/14]; NJW 88, 2741 [BGH 13.04.1988 - VIII ZR 274/87]), ist dieser Nachweis erforderlich, wenn die Privaturkunde nicht anerkannt wurde (s § 439), die Echtheit mithin streitig ist.
Rn 2
Private elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, werden gem § 371a I in ihrer Beweiskraft den privaten Urkunden gleichgestellt (Echtheitsnachweis: § 371a I 2). Hiervon zu unterscheiden ist der Ausdruck eines solchen privaten elektronischen Dokuments. Analog § 416a kann der beglaubigte Ausdruck eines mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehenen privaten elektronischen Dokuments vorgelegt werden (s iE § 416a Rn 9). Mit einem beglaubigten Ausdruck (Verfahren: § 42 IV BeurkG) erfolgt ein, wie § 416a zeigt, hinreichend sicherer Medientransfer vom elektronischen Dokument in das Papierdokument. Dagegen genügt ein einfacher Ausdruck nicht, um die Beweisführung mit dem öffentlichen elektronischen Dokument nach Maßgabe der Vorschriften über den Urkundenbeweis durchzuführen (zur Beweisführung nach § 371a s dort).
II. Die Privaturkunde.
1. Abgrenzung zur öffentlichen Urkunde.
Rn 3
Privaturkunden iSd § 416 sind alle Urkunden, die nicht öffentliche Urkunde sind. Gemeint sind in erster Linie Urkunden, die von einer Privatperson ausgestellt wurden. Aber auch Urkunden, die als öffentliche Urkunden errichtet werden sollten, aber wegen eines Formmangels keine öffentliche Urkunde sind, erfüllen den Begriff der Privaturkunde (BGHZ 37, 79, 90 = NJW 62, 1152; MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 3; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 1; Zö/Feskorn § 416 Rz 1; HK-ZPO/Siebert § 415 Rz 8, § 416 Rz 2). Bei öffentlich beglaubigten Urkunden sind Urkundstext und Beglaubigungsvermerk zu unterscheiden. Öffentliche Urkunde ist nur der Beglaubigungsvermerk, der sich auf die Unterschrift oder das Handzeichen bezieht. Der darüber stehende Urkundstext bleibt trotz der öffentlichen Beglaubigung der Unterschrift eine Privaturkunde (s § 415 Rn 18). Wird ein eigenhändiges Testament eröffnet, ist die Eröffnungsniederschrift öffentliche Urkunde; das Testament selbst bleibt aber Privaturkunde (München NotBZ 19, 64, 65 [OLG München 25.07.2018 - 34 Wx 174/18]). Anwaltliche Empfangsbekenntnisse sind Privaturkunden, werden aber hinsichtlich ihrer Beweiswirkung wie öffentliche Urkunden behandelt, indem auch hier voller Beweis der Unrichtigkeit geführt werden muss (vgl BGH NJW-RR 18, 1400 [BGH 11.09.2018 - XI ZB 4/17]; NJW 12, 2117 [BGH 19.04.2012 - IX ZB 303/11]; s § 415 Rn 29; § 418 Rn 12).
2. Unterzeichnung durch die Aussteller.
a) Bedeutung des Merkmals.
Rn 4
Da die Beweiskraft der Privaturkunde über eine Erklärung sich auf die Abgabe der Erklärung durch den Aussteller bezieht, muss die Privaturkunde notwendigerweise einen Aussteller erkennen lassen. Die Beweiswirkung hängt deshalb davon ab, dass die Urkunde von den Ausstellern unterzeichnet wurde, wobei die Unterzeichnung durch Unterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen erfolgen kann.
Rn 5
Die Funktion, die der Unterzeichnung durch den Aussteller im Urkundenbeweisrecht zukommt, unterscheidet sich von der Funktion des Merkmals Unterzeichnung in § 126 BGB. Bei § 416 dient das Erfordernis der Unterzeichnung dem Zweck, die Authentizität der Erklärung zu gewährleisten (MüKoZPO/Schreiber § 416 Rz 7; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 416 Rz 6). Es ist somit ein notwendiges, aber auch ein hinreichendes Kriterium der Unterzeichnung, dass sie den Aussteller der Urkunde zu erkennen gibt. Dagegen genügt eine Urkunde nur dann der Schriftform nach § 126 BGB, wenn sie von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder durch notariell beglaubigtes Handzeichen unterzeichnet wurde. Mit dem Erfordernis der eigenhändigen Namensunterschrift formuliert § 126 BGB strengere Vorgaben als § 416, so dass eine Urkunde, die den Anforderungen an die Erfüllung der Schriftform gem § 126 BGB nicht genügt, gleichwohl Instrument eines Urkundenbeweises sein kann (s im Einzelnen Rn 8). Die Namensunterschrift ist im Urkundenbeweisrecht keine Voraussetzung der formellen Beweiskraft; eine vorhandene Namensunterschrift ist vielmehr ...