aa) Wirtschaftliche.
Rn 20
Da durch § 41 Nr 1 eine unmittelbare Interessenkollision ausgeschlossen ist, kommen lediglich mittelbare wirtschaftliche Interessen am Prozessausgang in Betracht. Diese sind dann denkbar, wenn der Richter als Mitglied einer am Prozess beteiligten Organisation wirtschaftlich an deren Erfolg partizipiert. Das kann aber nur dann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschritten wird (MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 12). Diese ist nicht erreicht, wenn der Richter einfaches Mitglied einer am Rechtsstreit beteiligten Massenorganisation ist wie ADAC, Gewerkschaft oder dgl (s Rn 13; Zö/Vollkommer § 42 Rz 11). Entscheidend sind der wirtschaftliche Wert des Mitgliedschaftsrechts und die daraus fließende wirtschaftliche Abhängigkeit (Stuttg NJW-RR 95, 300). Als Kleinaktionär einer Groß-AG ist der Richter in deren Prozess nicht befangen (BayObLG ZIP 02, 1038), als Großaktionär einer kleinen AG sehr wohl (KG NJW 63, 451). Ein Handelsrichter, der im Aufsichtsrat einer Prozesspartei sitzt, kann wg Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (Frankf NJW-RR 18, 1404 [OLG Frankfurt am Main 30.08.2018 - 6 W 79/18]). Die Besorgnis der Befangenheit kann begründet sein ggü einem Richter, der sich an einer gg eine Partei gerichteten Musterfeststellungsklage beteiligt hat, auch wenn ein wirtschaftliches Interesse des Richters am Ausgang des Rechtsstreits wg eines von ihm geschlossenen Vergleichs ausgeschlossen ist (vgl BGH NJW 21, 2368 [BGH 25.03.2021 - III ZB 57/20]).
bb) Vorbefasstheit.
Rn 21
War ein Richter mit dem Prozessstoff schon vorher befasst, führt dieses unter den Voraussetzungen des § 41 Nr 4–6 unmittelbar zum Ausschluss (§ 41 Rn 27 ff). Ob sonstige Vorbefasstheit eine Ablehnung des Richters wg Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt, ist im Einzelfall umstr, da die genannten Ausschlussgründe abschließend sind (allgM) und deswegen besondere Gründe hinzutreten müssen, um die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Einigkeit herrscht darüber, dass eine typische prozessuale Vorbefasstheit keinen Befangenheitsgrund bietet (Musielak/Voit/Heinrich § 42 Rz 14; MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 21; Zö/Vollkommer § 42 Rz 15). Gemeint sind die Fälle, in denen die Prozessordnung die erneute Befassung desselben Richters mit dem Streitstoff vorsieht oder nicht ausschließt: Mitwirkung im PKH- und Klageverfahren, Einspruchsverfahren nach VU, Mitwirkung beim Grundurt und im Betragsverfahren, beim Urkunds- und Nachverfahren, Widerspruchsverfahren nach Erlass eines Arrestes oder einer eV, im Ausgangs- und Abhilfeverfahren gem §§ 567 I, 572, im Erkenntnis- und Rügeverfahren gem § 321a, bei Entscheidungen über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung und in der Hauptsache, bei Zurückverweisungen gem §§ 538 II, 563 I 1 (s.a. § 41 Rn 31 f). Das Gesetz setzt in diesen Fällen als selbstverständlich voraus, dass der Richter bei der jew erneuten Behandlung der Sache unbefangen seine frühere Meinung überprüft und sich, wenn nötig, von ihr löst (Wieczorek/Schütze/Niemann § 42 Rz 11). Anderes gilt, wenn der Richter zugleich Mitglied eines Wahlausschusses ist und das Verfahren, an dem er mitwirkt eine Wiederholung des Wahlverfahrens zur Folge haben kann (vgl BGH, Beschl v 27.4.15 AnwZ 1/15, juris; NJW-RR 14, 1469) oder der Richter, der zur Entscheidung über Schadensersatzklagen wg Verstößen gegen das Kartellverbot berufen ist, zuvor iR seiner Referendarausbildung oder als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einer Rechtsanwaltskanzlei tätig war, die von einer an dem Kartell beteiligten Partei mit der Führung von Rechtsstreitigkeiten beauftragt worden war (vgl BGH MDR 22, 118).
Rn 22
Die Mitwirkung vorbefasster Richter an einer Entscheidung über die Niederschlagung von Gerichtskosten nach § 21 II GKG rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit nicht, weil in diesem Verfahren nicht erneut über das zivilrechtliche Verhältnis zwischen den Parteien entschieden wird, sondern im Verhältnis einer Partei zur Staatskasse über eine Frage der Kostentragung, auch wenn es inhaltliche Berührungspunkte zur Hauptsache gibt (BGH Beschl v 2.4.09 – III ZA 2/09; Beschl v 9.7.09 – III ZR 171/07 – Rz 1, juris).
Rn 23
Auch atypische Vorbefassung führt ohne Hinzutreten besonderer Umstände ebf nicht zur Besorgnis der Befangenheit (Karlsr MDR 07, 1336 [OLG Karlsruhe 08.08.2007 - 6 U 97/07]; Zö/Vollkommer § 42 Rz 17). Hierunter sind die Fälle zu fassen, in denen es zu einer Mehrfachbefassung des Richters mit demselben Streitstoff nicht aus der Verfahrensordnung selbst, sondern aus anderen Gründen kommt. Zu denken ist an die Versetzung des erstinstanzlichen Richters an das Gericht höherer Instanz, soweit er nicht nach § 41 Nr 6 ausgeschlossen ist (s § 41 Rn 31), oder die Rückkehr des Richters zur vorigen Instanz. Das gilt auch für den Fall, dass er an einer Entscheidung gem § 563 I 2 (Verweisung an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts) mitgewirkt hat und er dann in dem ›anderen Spruchkörper‹ eingesetzt wird (Karlsr OLGZ 84, 102, 104; Wiec...