1. Allgemeine Kriterien.
Rn 7
Der Gesetzgeber schweigt zu den möglichen Kriterien. Gleichwohl bietet das Gesetz in § 41 einen Ansatzpunkt. Hier wird an besondere persönliche und sachliche Beziehungen angeknüpft, aus denen sich typisierende Fallgruppen bilden lassen (MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 7; Zö/Vollkommer § 42 Rz 10). Diese geben allerdings nur eine grobe Struktur vor (St/J/Bork § 42 Rz 3) und können nicht schematisch angewandt werden (s Rn 4; Zö/Vollkommer § 42 Rz 10). Zu würdigen sind in einer Gesamtschau die Details jedes Einzelfalls (St/J/Bork 42 Rz 3). Kommen die Umstände des Einzelfalls der Sache nach einem Ausschlussgrund nach § 41 nahe, wird die Ablehnung umso eher berechtigt sein (MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 7). Ein weiterer Bewertungsmaßstab findet sich in § 1036 II 1 Alt 1 und in der Rspr des EGMR zu Art 6 I EMRK (Zö/Vollkommer § 42 Rz 8). Über diese persönliche oder sachliche Beziehung des Richters zur Sache als Anknüpfungspunkt hinaus ist es sachgerecht, das tatsächliche Verhalten des Richters als Bewertungsmaßstab heranzuziehen, da die Rechtsfindung (immer auch) ein Kommunikationsprozess ist (s Rn 2). Abzustellen ist darauf, ob aus der Sicht eines vernünftigen Menschen die Grenze zu Unsachlichkeit und Willkür überschritten ist (St/J/Bork § 42 Rz 3). Im Einzelfall können diese Kriterien Schnittmengen bilden (MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 7).
Rn 8
Diese Kriterien lassen das eigene Verhalten einer Partei, wie Beleidigung des Richters, Dienstaufsichtsbeschwerden oder eine Strafanzeige als Befangenheitsgrund von vornherein ausscheiden (Saarbr NJW-RR 94; Ddorf OLGR 96, 108, 763, 766; Dresd FamRZ 02, 839; Zö/Vollkommer § 42 Rz 29). Andernfalls hätte es eine Partei weitgehend in der Hand, einen ihr missliebigen Richter auszuschalten (Musielak/Voit/Heinrich § 42 Rz 7; Wieczorek/Schütze/Niemann § 42 Rz 8). Wg möglicher Reaktionen des Richters s Rn 53.
Rn 9
Fehler bei der Ernennung eines Richters oder mögliche sonstige in seiner Person liegende Einschränkungen seiner geistigen oder körperlichen Fähigkeiten scheiden ebf als Befangenheitsgrund aus (s § 41 Rn 5 f).
2. Beziehungen des Richters.
a) Persönliche.
aa) Im engeren Sinne.
Rn 10
Allgemeine berufliche Kontakte des Richters zu einer Partei ohne besondere Nähe oder Intensität genügen nicht für die Annahme der Befangenheit (BGH NJW-RR 13, 1211 [BGH 10.06.2013 - AnwZ (Brfg) 24/12]). Eine enge Beziehung des Richters zu einer Partei über die in § 41 Nr 2–3 normierten hinaus wie Verlöbnis, Liebesverhältnis, Freundschaft, Feindschaft, Bekanntschaft oder Nachbarschaft, kann hingegen eine Ablehnung rechtfertigen (allgM). Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an (BGH HFR 16, 417). Als Maßstab sollte gelten, wie nahe die Beziehung im konkreten Fall dem Leitbild der genannten Normen kommt (MüKoZPO/Stackmann § 42 Rz 7). Ein bestehendes Liebesverhältnis wird sicher zum Ausschluss führen, eine frühere Bekanntschaft oder Freundschaft nicht zwingend (BGH Beschl v 29.6.09 – I ZR 168/06 – Rz 7, juris; St/J/Bork § 42 Rz 15), wohl aber, wenn zwischen dem Ehegatten des Richters und einer Prozesspartei eine enge und langjährige Freundschaft besteht (BGH NJW-RR 21, 187). Bloße Sympathie oder Antipathie begründen für sich die Besorgnis der Befangenheit noch nicht (BVerfGE 73, 330 = NJW 87, 430 [BVerfG 12.07.1986 - 1 BvR 713/83]). Hinzutreten müssen immer weitere Umstände. Diese können darin bestehen, dass der Richter vor dem Eintritt in den Staatsdienst in einem zweijährigen Anstellungsverhältnis zu einer Partei gestanden hat, auch wenn es schon seit 6 Jahren beendet ist (Frankf MDR 08, 710), oder der Richter Vermieter einer von einer Partei bewohnten Wohnung ist (Brandbg MDR 16, 1045 [OLG Brandenburg 12.05.2016 - 10 WF 61/16]).
Rn 11
Ferner vermag auch eine enge Beziehung einer dem Richter nahestehenden Person zu einer Partei die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Die Nähe der Person zum Richter folgt einmal aus § 41 Nr 1–3, zum anderen kann sie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergeben. So ist Befangenheit für den Fall angenommen worden, dass die Ehefrau des Richters in einem Dienstverhältnis zu einer Partei stand (LG Hanau NJW-RR 03, 1368 [BGH 25.06.2003 - XII ZB 169/99]). Entscheidend hierfür sind dabei Betriebsgröße und Organisation sowie Stellung und Tätigkeit der Person innerhalb der Organisation (München Beschl v 26.8.09 – 1 W 2051/09 – Rz 4, juris).
Rn 12
Die enge persönliche Beziehung zum Prozessbevollmächtigen einer Partei, sei es des Richters selbst oder einer ihm nahestehenden Person (s Rn 11) dürften im Regelfall die Besorgnis der Befangenheit begründen (allgM; Köln NJW-RR 19, 885 [OLG Köln 12.12.2018 - 17 W 134/18]; Ddorf NJW-RR 18, 448 [OLG Düsseldorf 05.02.2018 - II-8 UF 58/15]), die lockere Freundschaft reicht in der Regel indes nicht (St/J/Bork § 42 Rz 4; Zö/Vollkommer § 42 Rz 13), wohl aber, wenn sie sich über längere Jahre verfestigt hat (Stuttg MDR 11, 66). Es müssen jedenfalls weitere Umstände hinzutreten (Hambg MDR 03, 287). Auch starke persönliche Spannungen zu einem Prozessbevollmächtigten können zur Ablehnung führen, wenn sie sich in d...