I. Kenntnis des Ablehnungsgrunds.
Rn 2
Die Partei muss positive Kenntnis vom Ablehnungsgrund haben. Kennen müssen reicht nicht (BGH NJW-RR 20, 1321; Hambg OLGR 37, 204; aA Saarbr FamRZ 10, 484). Die Kenntnis muss sich zum einen auf alle Tatsachen erstrecken, die den Grund bilden. Zum anderen muss auch Kenntnis von der Person des Richters bestehen, wenn sich die Ablehnung auf eine persönliche Beziehung zu diesem gründet. (MüKoZPO/Stackmann § 43 Rz 3; Wieczorek/Schütze/Niemann § 43 Rz 3; Zö/Vollkommer § 43 Rz 3). Deswegen besteht ein Recht des Ablehnenden auf namentliche Bekanntgabe der mitwirkenden Richter in Analogie zu § 24 III 2 StPO (allgM). Kenntnis des Prozessbevollmächtigten wird der Partei aus dem Rechtsgedanken des § 85 II zugerechnet (BGH NJW-RR 20, 1321; Hambg MDR 85, 232; Ddorf Rpfleger 93, 188). Umgekehrt genügt die Kenntnis der Partei, auch wenn sie der Prozessbevollmächtigte nicht hat (Wieczorek/Schütze/Niemann § 43 Rz 3). Wird die Ablehnung auf einen ›Gesamttatbestand‹ gestützt, liegt Kenntnis erst vor, wenn dieser insgesamt verwirklicht und bekannt ist (Frankf OLGR 01, 169; Köln OLGR 01, 260; Wieczorek/Schütze/Niemann § 42 Rz 3; Zö/Vollkommer § 43 Rz 3). Setzt dieser sich aus einer Beziehung des Richters zur Partei, die die Partei kennt, ohne zu wissen, dass der Richter mitwirkt, und der Kenntnis des Bevollmächtigten von der Person des Richters, ohne Kenntnis von der Beziehung, zusammen, ist der ›Gesamttatbestand‹ erst verwirklicht, wenn diese Kenntnisse zusammentreffen (BGH NJW-RR 20, 1321 [BGH 15.09.2020 - VI ZB 10/20]). Wird die Ablehnung aus einer Häufung von Fehlern in der Verfahrensleitung hergeleitet, können Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten, da eine Umgehung des Verlusttatbestands nicht hingenommen werden soll (Saarbr OLGR 07, 336, 337; Zö/Vollkommer § 43 Rz 8). Im Zweifel ist die Zeitschranke erst bei ›Anträge gestellt‹ (s Rn 5) zu setzen. Zu diesem Zeitpunkt müssen sich die Teilakte, die für sich noch keinen Ablehnungsgrund gem § 42 II verwirklicht haben, zu einem Gesamttatbestand verdichtet haben (Hamm Beschl v 11.7.11 – I-32 W 11/11/– Rz 13 – juris).
II. Einlassung in eine Verhandlung.
Rn 3
Der Begriff ist umfassend zu verstehen. Die Verhandlung kann mündlich (zum Begriff s. § 47 Rn 5) oder schriftlich sein. Einlassen ist jedes prozessuale, der Erledigung eines Streitpunkts dienendes Handeln einer Partei unter Mitwirkung des Richters (BGH NJW-RR 08, 800 [BGH 05.02.2008 - VIII ZB 56/07]; NJW-RR 14, 382 [BGH 16.01.2014 - XII ZB 377/12]), mag sie die Hauptsache, prozesshindernde Einreden oder einen Zwischenstreit betreffen (St/J/Bork § 43 Rz 4). Dazu zählen mündliche Erklärungen zu gerichtlichen Fragen (OVG Bremen NJW 85, 823), Vergleichsverhandlungen und der Abschluss eines Widerrufvergleichs (Frankf FamRZ 91, 838).
Rn 4
Kein Einlassen ist Sachvortrag in Schriftsätzen, die der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung dienen (BGH NJW-RR 14, 382 [BGH 16.01.2014 - XII ZB 377/12]). Anderes kann nur gelten, wenn eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt wird (§ 128 II) oder von vornherein nicht vorgeschrieben ist (BGH a.a.O. Rz 22).
III. Antragstellung.
Rn 5
Darunter fallen alle Sachanträge die in der mündlichen Verhandlung gem § 297 gestellt werden. In den schriftlichen Verfahren gem § 128 II liegt in der Einverständniserklärung die Antragstellung (Wieczorek/Schütze/Niemann § 43 Rz 1). In den gem § 495a angeordneten schriftlichen Verfahren ist es, da dieses ohne Erklärung der Parteien geschieht, am sachgerechtesten, die Antragstellung für den Zeitpunkt anzunehmen, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung gleichkommt. Prozessanträge führen nur dann zum Verlust, wenn sie einen unmittelbaren Bezug zur Sachentscheidung haben (allgM), wie Anträge auf Erlass eines Versäumnis- oder Anerkenntnisurteils (Musielak/Voit/Heinrich § 43 Rz 2). Reine Formalanträge, wie auf Übersendung von Protokollabschriften, Terminverlegung, -unterbrechung, Akteneinsicht oder dgl fallen nicht darunter (Zö/Vollkommer § 43 Rz 5).