I. Vorlegung der Urschrift.
Rn 2
Die Urschrift einer Urkunde ist das Schriftstück, das der Verfasser der Urkunde eigenhändig unterzeichnet hat und das Ausfertigungen und Abschriften zugrunde liegt (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 435 Rz 4). Bleibt die Urschrift in der Verwahrung einer Behörde, eines Gerichts oder des Notars (vgl § 45a I BeurkG für notarielle Urkunden) und nimmt somit nicht am Rechtsverkehr teil, so tritt die Ausfertigung im Rechtsverkehr an die Stelle der Urschrift (vgl § 47 BeurkG). Die Ausfertigung ist eine mit dem Ausfertigungsvermerk versehene Abschrift des Originals. Obwohl sie als Abschrift von der Urschrift erzeugt wird, ist sie mit demselben öffentlichen Glauben ausgestattet wie die Urschrift (BGHZ 36, 201, 204 = NJW 60, 33; Wieczorek/Schütze/Ahrens § 435 Rz 5). Die Ausfertigung fungiert damit gewissermaßen als ›Urschrift im Rechtssinne‹. Sie ist grds als Urschrift iSv § 435 anzusehen, wobei der Beweis möglich bleibt, dass sie nicht mit der in der amtlichen Verwahrung verbliebenen Urschrift übereinstimmt oder dass eine Ausfertigung von einem nicht erlassenen Urt erteilt wurde (St/J/Berger § 435 Rz 6). Für die Beweiskraft der Ausfertigung spielt es keine Rolle, wem die Ausfertigung nach dem Ausfertigungsvermerk erteilt wurde. Es ist allerdings zu beachten, dass bei Vollmachtsurkunden die gewillkürte Erteilungsermächtigung (vgl § 51 II BeurkG) die für die Rechtsfolgen des § 172 BGB maßgebliche willentliche Aushändigung der Urkunde dokumentiert, da der Ausfertigungsvermerk in diesem Fall auf den Vertreter lautet (vgl § 49 II BeurkG). § 172 BGB setzt zwar nicht voraus, dass die Vollmachtsurkunde, die der Vertreter im Rechtsverkehr vorlegt, einen auf ihn lautenden Ausfertigungsvermerk trägt (Köln RNotZ 01, 407, 408 = Rpfleger 02, 197 mit krit Anm Waldner/Mehler). Wenn der Bevollmächtigte sich im Rechtsverkehr aber mit einer nicht auf ihn lautenden Ausfertigung ausweist, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass ihm diese Ausfertigung willentlich überlassen wurde (vgl München DNotZ 08, 844, 845 mit Anm Mehler/Braun DNotZ 08, 810; Helms RNotZ 02, 235, 236 f; Waldner/Mehler MittBayNot 99, 261, 262; dies Rpfleger 02, 198 f [OLG Köln 09.07.2001 - 2 Wx 42/01]; aA Köln RNotZ 01, 407, 408 = Rpfleger 02, 197 [wechselseitige Bevollmächtigung iRe Vorsorgevollmacht, insoweit offengelassen von München DNotZ 08, 844 [OLG München 19.05.2008 - 34 Wx 023/08], 845]).
II. Vorlegung der beglaubigten Abschrift.
1. Begriff.
Rn 3
Abschriften sind Abschriften im wörtlichen Sinne, aber auch sonstige durch Ablichtung, Abdrucken usw hergestellte Vervielfältigungen des Originals (St/J/Berger § 435 Rz 9). Die Abschriftsverfahren sind gleichwertig; die Übereinstimmung mit dem Original wird durch den Beglaubigungsvermerk dokumentiert (Winkler § 42 BeurkG Rz 10). Enthält das Original, von dem die Abschrift erstellt wird, eine Unterschrift, kann in einer Abschrift, die das Schriftbild der Unterschrift nicht wiedergibt, der Name des Unterzeichners maschinenschriftlich eingefügt und zB durch den Zusatz ›gez.‹ gekennzeichnet werden (Winkler § 42 BeurkG Rz 10). Der Ort eines auf dem Original befindlichen Siegels wird üblicherweise durch die Abkürzung ›L.S.‹ bezeichnet. Die Abschriftsbeglaubigung erfolgt durch einen Beglaubigungsvermerk der Urkundsperson. Der Beglaubigungsvermerk ist eine öffentliche Urkunde (MüKoZPO/Schreiber § 435 Rz 2), die als solche Beweis für die Übereinstimmung der beglaubigten Abschrift mit dem Original erbringt. Der Vermerk soll angeben, ob es sich bei dem Original um eine Urschrift, eine Ausfertigung, eine beglaubigte oder eine einfache Abschrift handelt.
2. Beglaubigungszuständigkeit.
Rn 4
Die Abschriftsbeglaubigung muss von einer zuständigen Stelle unter Beachtung des für die Abschriftsbeglaubigung vorgesehenen Verfahrens erfolgen (vgl § 415 I). Inhaltlich beschränkte Beglaubigungskompetenzen sind in verschiedenen Verfahrensgesetzen geregelt (zB § 13 III 2 FamFG, § 12 II GBO). Allgemein zuständig für die Beglaubigung von Abschriften sind Notare (§ 20 BNotO, § 42 BeurkG). Von der Ermächtigung des § 68 BeurkG (§ 63 BeurkG aF), die Zuständigkeit weiterer Stellen zu begründen, haben nur einige Länder Gebrauch gemacht. In Hessen besteht eine Beglaubigungszuständigkeit der Ortsgerichte (§ 13 II Hess OrtsGG), in Rheinland-Pfalz der Kommunalbehörden (§ 2 iVm § 1 I 1 Nr 1 bis 4 RhPfBeglG). In Baden-Württemberg sind die Ratschreiber bei den staatlichen Grundbuchämtern befugt, öffentliche Beglaubigungen vorzunehmen (§ 35a IV LFGG). Konsularbeamte dürfen gem § 10 I Nr 2 KonsG Abschriften beglaubigen (Einschränkung: § 10 III Nr 3 KonsG). Die (beschränkte) Beglaubigungskompetenz von Verwaltungsbehörden ist bundesgesetzlich in § 33 VwVfG geregelt. Rechtsanwälte sind nur als Prozessbevollmächtigte aus Anlass der Zustellung im Zivilprozess zur Beglaubigung von Abschriften befugt (vgl § 169 II 2). Sie üben keine allgemeine öffentliche Beglaubigungs- oder Beurkundungsfunktion aus (BGHZ 92, 76, 79).