Gesetzestext
(1) Die Echtheit einer nicht anerkannten Privaturkunde ist zu beweisen.
(2) Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest oder ist das unter einer Urkunde befindliche Handzeichen notariell beglaubigt, so hat die über der Unterschrift oder dem Handzeichen stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich.
A. Bedeutung der Vorschrift.
Rn 1
Voraussetzungen der formellen Beweiskraft einer Urkunde sind die Unversehrtheit (§ 419) und die Echtheit der Urkunde. Erst wenn die Echtheit eines Urkundentextes feststeht, greift die Beweisregel des § 416 ein (BGH NJW 88, 2741 f [BGH 13.04.1988 - VIII ZR 274/87]; zur Beweiskraft der Privaturkunde s § 416 Rz 17 ff). Eine Urkunde ist echt, wenn sie von demjenigen ausgestellt ist, von dem sie nach der Behauptung des Beweisführers ausgestellt sein soll (MüKoZPO/Schreiber § 437 Rz 1; St/J/Berger § 437 Rz 1). Die Echtheit einer Privaturkunde (Begriff: § 416 Rn 1) wird nicht bereits vermutet (BGH NJW 01, 448, 449 [BGH 13.07.2000 - I ZR 49/98]: anders: inländische öffentliche Urkunden, § 437). Sie kann vom Beweisgegner bestritten werden (vgl § 439 Rn 1, 2, Einschränkung: § 113 IV Nr 7 FamFG) und bedarf dann gem § 440 I des Beweises, damit die Urkunde nach § 416 formelle Beweiskraft entfalten kann. Nach § 440 II wird die Echtheit des Urkundentextes vermutet, wenn die Urkunde namentlich unterschrieben ist und die Echtheit der Unterschrift feststeht (zur Erklärung über die Echtheit der Unterschrift s § 439 Rn 3).
B. Beweis der Echtheit.
Rn 2
Bei namentlich unterzeichneten Urkunden ist ein Echtheitsbeweis erforderlich, wenn die Echtheit der Unterschrift bestritten wird und nicht feststeht (sonst: § 440 II). Wegen der Vermutungswirkung des § 440 II reicht es aus, den Beweis auf die Echtheit der Unterschrift zu beschränken (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 440 Rz 4; St/J/Berger § 440 Rz 6; zur Widerlegung der Vermutung § 440 Rz 7). An der Echtheit fehlt es allerdings auch dann, wenn der vermeintliche Aussteller zwar eine Unterschrift geleistet hat, die Unterschrift aber mit Gewalt oder durch Drohung erzwungen wurde und deshalb nicht vom Willen des Ausstellers getragen ist (Hambg 27.10.22 – 15 U 118/20). Bei nicht unterschriebenen Urkunden ist die Echtheit des Urkundentextes Gegenstand des Beweises. Für die Echtheit der Urkunde trägt derjenige die Beweislast, der sich zu Beweiszwecken auf die Urkunde beruft (Hamm 29.3.21 – I-18 U 18/20; MüKoZPO/Schreiber § 440 Rz 2; St/J/Berger § 440 Rz 1). Bei der Entscheidung über die Echtheit ist das Gericht keiner Beweisregel unterworfen, sondern es gilt die freie richterliche Beweiswürdigung nach § 286 (BGH NJW 95, 1683 [BGH 22.03.1995 - VIII ZR 191/93]; Hamm 16.6.11 – 22 U 102/10; MüKoZPO/Schreiber § 440 Rz 2; St/J/Berger § 440 Rz 1). Das Gericht kann bereits aufgrund einer Würdigung von Indizien zu dem Ergebnis gelangen, dass die Urkunde echt ist (MüKoZPO/Schreiber § 440 Rz 2). Wenn das Gericht nach der Erhebung lediglich eines Teils der Beweise bereits von der Echtheit der Urkunde überzeugt ist, kann es allerdings nicht von der Erhebung weiterer für das Gegenteil angebotener Beweise absehen (BGH BeckRS 20, 27804 Rz 18: sonst vorweggenommene Beweiswürdigung). IÜ sind alle Arten von Beweismitteln zulässig, insb auch gem §§ 441, 442 der Schriftvergleich (BGH NJW 17, 3304, 3305 [BGH 16.03.2017 - I ZR 205/15]).
C. Vermutung der Echtheit des Urkundentextes.
I. Voraussetzungen.
1. Echtheit der Namensunterschrift.
Rn 3
Die Zuordnung des Urkundentextes qua Vermutung kommt nur in Betracht, wenn die Urkunde namentlich unterschrieben (kein generelles Merkmal der Privaturkunde, vgl § 416 Rn 8) oder mit einem notariell beglaubigten Handzeichen unterzeichnet ist. Die Unterzeichnung muss sich unter dem Text befinden, also ›die darüber stehende Schrift‹ decken (BGHZ 113, 48 = NJW 91, 487; NJW 92, 829, 830; NJW 02, 2707; Ausnahmefall: Köln Rpfleger 00, 163; vgl auch § 416 Rn 14 mwN). Eine Oberschrift lässt die Rspr angesichts des klaren Wortlauts des § 440 II auch dann nicht genügen, wenn sie auf einem vorgefertigten Formular erfolgt, das eine Zeichnung am oberen Rand vorsieht (BGHZ 113, 48 = NJW 91, 487 – Überweisungsformular).
Rn 4
Bestandteil der Namensunterschrift ist nicht notwendigerweise der vollständige Name der Person. Was als Namensunterschrift angesehen wird, richtet sich vielmehr nach Tradition, Übung, Gewohnheit und Praxis (Armbrüster/Preuß/Piegsa § 13 BeurkG Rz 42 f; vgl auch BGH NJW 03, 1120). In diesem Sinne muss der Familienname Bestandteil einer Namensunterschrift sein, wenn das Recht, dem die Namensbildung unterliegt, einen Familiennamen kennt und wenn es den Gepflogenheiten der entsprechenden Rechtsordnung entspricht, mit diesem Familiennamen zu unterzeichnen (BGH NJW 03, 1120 [BGH 25.10.2002 - V ZR 279/01]; Armbrüster/Preuß/Piegsa § 13 BeurkG Rz 59; vgl auch BGH NJW 96, 997). Bei Doppelnamen reicht die Unterzeichnung mit einem der beiden Namensbestandteile (Armbrüster/Preuß/Piegsa § 13 BeurkG Rz 58). Eine bloße Paraphe (ohne notarielle Beglaubigung) genügt nicht (Musielak/Voit/Huber § 440 Rz 3; Anders/Gehle/Gehle ZPO § 440 Rz 6; s.a. BGH NJW-RR 07, 351 [BGH 15.11.2006 - IV ZR 122/05]; NJW-RR 2011, 953,...