I. Verfügungsgewalt des Beweisführers, Verfügungsgewalt einer Behörde usw.
Rn 3
Wie der Beweis durch Schriftvergleichung anzutreten ist, richtet sich danach, in wessen Händen sich die heranzuziehende Vergleichsurkunde befindet. Übt der Beweisführer selbst die Verfügungsgewalt aus, muss er die Vergleichsurkunde vorlegen (§ 441 II Alt 1). Tritt der Beweisführer entspr den Beweis an, muss ihm Gelegenheit zur Vorlage der Vergleichsurkunde gegeben werden (BGH BeckRS 20, 27804 Rz 19). Befindet sich die Vergleichsurkunde in der Verfügungsgewalt einer Behörde, eines Beamten oder eines Notars (vgl § 432 Rn 3), wird der Beweis gem §§ 441 II, 432 durch den Antrag angetreten, die Behörde usw um Mitteilung der Vergleichsschrift zu ersuchen.
II. Verfügungsgewalt des Beweisgegners.
Rn 4
Hat der Beweisgegner ein geeignetes Vergleichsstück in Händen, erfolgt der Beweisantritt durch den Antrag auf Vorlegungsanordnung gem §§ 442 III 2, 421. Dabei sind die Spezifizierungsanforderungen des § 424 abzuschwächen, weil bei einem Beweis durch Schriftvergleich ein beliebiges Dokument genügt, solange es nur den Schriftvergleich ermöglicht (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 13). Als strittig erwies sich, ob die Vorlegungsanordnung voraussetzt, dass der Beweisführer einen Vorlegungsgrund iSd §§ 422, 423 haben muss, oder ob vielmehr bereits aus § 441 III 1 ein eigenständiger Vorlegungsgrund entnommen werden kann. Ein Teil der Literatur verlangt unter Hinweis auf die umfassende Verweisung des § 441 III einen Vorlegungsgrund nach §§ 422, 423 (MüKoZPO/Schreiber § 441 Rz 3 mwN). Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Ansicht nunmehr angeschlossen (BGH NJW 17, 3304, 3306). Die Gegenansicht kann sich auf den Wortlaut des § 441 III 1 berufen (Wieczorek/Schütze/Ahrens § 441 Rz 14). Ihr ist außerdem zuzugestehen, dass der Anwendungsbereich des § 441 III ausgesprochen beschränkt ist, wenn § 441 III 1 keinen eigenständigen Vorlegungsgrund regelt. Der Bundesgerichtshof verweist zur Begründung der engeren Anwendung vornehmlich auf die gesetzliche Sanktion gem § 441 III 3 und den damit bestehenden Unterschied zur Anordnung der Urkundenvorlegung vAw nach § 142 (BGH NJW 17, 3304, 3306 [BGH 16.03.2017 - I ZR 205/15]). Kommt der Beweisgegner der Vorlegungsanordnung nicht nach oder forscht er nicht sorgfältig genug nach der Vergleichsschrift, verschlechtert er (wie nach § 427) seine Beweislage, da das Gericht nach § 441 III 3 die Urkunde als echt bzw, wenn die Schriftvergleichung zum Beweis der Unechtheit dienen sollte (vgl § 441 I), die Urkunde als unecht ansehen kann.
III. Verfügungsgewalt eines Dritten.
Rn 5
Befindet sich die Urkunde in den Händen eines Dritten, wird der Beweis gem §§ 441 IV, 431 durch den Antrag auf Fristsetzung angetreten. Mit der Fristsetzung wird der Prozess angehalten; dem Beweisführer soll die nötige Zeit eingeräumt werden, um die Vergleichsschrift erforderlichenfalls im Wege der Klage und Vollstreckung gegen den Dritten herbeizuschaffen (vgl zum ähnlichen Beweisantritt § 428 Rn 1). Anders als § 428 lässt § 441 IV keinen Beweisantritt durch Antrag auf Vorlegung nach § 142 zu (St/J/Berger § 441 Rz 9). Der Beschl über die Fristsetzung setzt nach § 441 IV voraus, dass der Beweisführer (1) die Verfügungsgewalt des Dritten, (2) die Vorlagepflicht des Dritten und (3) die Vergleichseignung der heranzuziehenden Schrift glaubhaft macht (MüKoZPO/Schreiber § 441 Rz 4; St/J/Berger § 441 Rz 8).