1. Ablehnung außerhalb der mündlichen Verhandlung.
Rn 4
Wird der Richter außerhalb der Verhandlung abgelehnt, darf er nur Handlungen vornehmen, deren Unterlassen einer Partei wesentliche Nachteile bringen könnten (Celle NJW-RR 89, 569). Unaufschiebbar ist die Anordnung der Zustellung der Klage, jedoch ohne prozessleitende Vfg, bei einer Selbstablehnung (MüKoZPO/Stackmann § 47 Rz 5), oder Ablehnung schon mit der Klage. Zum einen sind mit der Rechtshängigkeit Vor- und Nachteile verbunden (§ 204 I Nr 1 BGB, §§ 261 III, 262), die es zu vermeiden gilt; zum anderen würde ohne Zustellung zumindest eine Partei zu einer Ablehnung gehört, ohne die Hauptsache zu kennen. Unaufschiebbar sind ferner die Terminsaufhebung und die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Bei Arrest und eV ist zu differenzieren: Muss eine (stattgebende) Entscheidung wg ihrer Dringlichkeit (§ 937 II) ohne mündliche Verhandlung ergehen, ist die Handlung unaufschiebbar. Im Bereich des Insolvenzrechts sind alle ihrer Natur nach bes eilbedürftigen Maßnahmen vom Tätigkeitsverbot des § 47 I ausgenommen (LG München I ZinsO 23, 2058). In allen anderen Fällen sperrt die Wartefrist. Die zulässig vorgenommen unaufschiebbaren Handlungen bleiben wirksam und sind nicht nachzuholen, wenn das Ablehnungsgesuch Erfolg hat (Zö/Vollkommer § 47 Rz 3).
2. Ablehnung während der Verhandlung.
Rn 5
Der Begriff der Verhandlung ist weit zu fassen s.a. § 43 Rn 3. Das folgt schon aus dem Wortlaut, der nicht auf die ›mündliche‹ Verhandlung des § 137 I abstellt. Sie beginnt, wenn das Gericht verhandlungsbereit ist, also mit dem Aufruf der Sache gem § 220 I, und endet mit deren Schluss gem § 136 IV. Damit sind auch Erörterungen, Güteverhandlung und Beweisaufnahme Teil der ›Verhandlung‹ (Zö/Vollkommer § 47 Rz 3a). Die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung nach Anbringung eines Befangenheitsgesuchs setzt weiter voraus, dass die Entscheidung über dieses eine Vertagung erfordert. Das ist immer der Fall, weil deren Rechtskraft nach hM abzuwarten ist. Nicht zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung gehört die Verkündung eines Urt oder die Bestimmung bzw Verlegung eines Verkündungstermins, § 310 I (Hambg MDR 17, 1263). Bleibt die Ablehnung erfolglos, kann der abgelehnte Richter, wenn die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, ohne weiteres Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmen, da nur im Falle der Begründetheit die Verhandlung zumindest tw erneut durchzuführen ist.
Rn 6
Dem Richter wird durch Abs 2 die Möglichkeit eröffnet, eine begonnene Verhandlung nach einer Ablehnung fortzuführen, er ist dazu aber nicht verpflichtet. Die erweiterte Handlungsbefugnis gestattet es ihm indes nicht, auch bei Entscheidungsreife einer gem. II 2 unzugänglichen Sachentscheidung, wie z.B. ein Endurt zu erlassen (BGH NJW-RR 08, 216, Zö/Vollkommer § 47 Rz 3a; zur Heilung: BSG Beschl v 25.1.22 – B 4 AS 176/21 B, juris).
Rn 7
Da Befangenheitsgesuche in der Verhandlung in aller Regel Erg einer ›aufgeheizten‹ Situation sind, ist dem Richter zu empfehlen, diese zunächst, wenn auch kurzfristig, zu unterbrechen, um dann nach ›Abkühlung‹ fortzusetzen. In der Praxis besteht häufig Unsicherheit darüber, ob die ablehnende Partei wg § 43 nach Anbringung des Gesuchs weiter verhandeln und Anträge stellen soll. Sie muss es, um für den Fall, dass sie erfolglos bleibt, nicht wg §§ 220 II, 333 einer Säumnisentscheidung ausgesetzt zu sein. Präkludiert wird sie nicht (s § 43 Rn 6).