Rn 2
Mit dem Rechtspflegevereinfachungsgesetz v 17.12.90 wurde das ›Beweissicherungsverfahren‹, welches dazu diente, den Beweisführer vor dem Risiko einer tatsächlichen Beweisfälligkeit zu schützen, diesem also eine vorsorgliche Beweissicherung ermöglichen wollte, mit Wirkung ab dem 1.4.91 durch das ›selbstständige Beweisverfahren‹ ersetzt. Dieses selbstständige Beweisverfahren – der Gesetzgeber verwendet im Text des § 204 I Nr 7 BGB und im Text des § 487 Nr 4 die früher allein gültige Schreibweise ›selbständiges Beweisverfahrens‹; in diverser Rspr und Kommentarliteratur, auch in § 11 Schlichtungs- und Schiedsordnung für Baustreitigkeiten (SOBau) wird nun die mittlerweile gem Duden ebf gebräuchliche Schreibweise ›selbstständiges Beweisverfahren‹ getextet – sichert gesetzlich weitere Ziele, nämlich Schlichtung, Prozessvermeidung, mithin Entlastung der Gerichte, Beschleunigung des Rechtsstreits u Beeinflussung der Verjährung (dazu § 487 Rn 18). Der Beschleunigungseffekt kann in der Praxis verloren gehen, wenn der ASt nicht hinreichend sorgfältig vorträgt (dazu § 487 Rn 3, 5) u dadurch vor Durchführung der Beweisaufnahme gerichtliche Nachfragen erforderlich werden, wenn der ASt mit der Einzahlung des für die Einholung der Beweise angeforderten Vorschusses (dazu § 490 Rn 4) zögert, wenn die Parteien die zeitaufwändige schriftliche Gutachtenergänzung anstelle der rascher abwickelbaren mündlichen Anhörung (dazu § 492 Rn 4) beantragen oder weil Gerichte die Verfahren bisweilen entgegen der gesetzlichen Vorgabe nicht als Eilfall behandeln (Fellner MDR 14, 66, 69: Die Streitbeilegungserfolgsaussicht eines vorprozessualen selbstständigen Beweisverfahrens liegt bei 10 %, bei einer zugespitzten streitigen Situation birgt ein vorprozessuales selbstständiges Beweisverfahren die Gefahr der Zeitverschwendung). Allerdings sind ein nach § 485 II geführtes selbstständiges Beweisverfahren u ein nachfolgendes Hauptsacheverfahren zwei unterschiedliche Verfahren, sodass eine auf § 198 I GVG gestützte Forderung auf Entschädigung wg unangemessener Verfahrensdauer nur getrennt gewertet werden kann (BGH BauR 14, 687; OVG NRW 27.4.22 – 13 D 96/21.EK). Eine weitere Schwäche des selbstständigen Beweisverfahrens kann sich daraus ergeben, dass das Gericht den Hintergrund des selbstständigen Beweisverfahrens durchweg nicht überblickt u deshalb die in § 404a auferlegte Einweisung des SV (dazu § 490 Rn 3) gelegentlich nicht umfassend verwirklichen kann; bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch, dass richterliche Weisungen nach § 404a auch nicht per sofortiger Beschwerde erzwungen werden können (Hambg IBR 15, 1091). Die früher von Richtern der Eingangsgerichte bemängelte unzureichende dienstinterne Bewertung ihrer Bearbeitung der selbstständigen Beweisverfahren besteht mittlerweile durchweg nicht mehr.