Rn 11

Deutsche Gerichte können für vollständig im Inland durchgeführte selbstständige Beweisverfahren auslandsansässige Sachverständige heranziehen; diese können unter den Voraussetzungen des § 8 IV JVEG einen Anspruch auf höhere Vergütung haben, sie unterliegen ferner nicht dem Begutachtungszwang des deutschen Verfahrensrechts, weshalb sie auch nicht zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens verpflichtet sind. Führt ein von einem deutschen Gericht beauftragter Sachverständiger eine Ortsbesichtigung im Ausland durch, ist ein vorheriges Rechtshilfeersuchen an die zuständigen Behörden des anderen Staates jedenfalls dann nicht zwingend notwendig, wenn die Hilfe der örtlichen Behörden für die erfolgreiche Durchführung der vom Prozessgericht angeordneten Beweisaufnahme nicht erforderlich ist und der Sachverständige nicht auf die hoheitliche Unterstützung und die Mitwirkung der Justizbehörden dieses Staates angewiesen ist; ein Verstoß gegen Art 17 VO EG 1206/2001 hat grds nicht die Folge, dass die gewonnenen Beweisergebnisse einem Beweisverwertungsverbot unterliegen (Oldbg BauR 13, 512; Zö/Geimer § 363 Rz 155. AA St/J/Berger § 486 Rz 33). Ein im Ausland geführtes selbstständiges Beweisverfahren kann verjährungshemmend wirken (dazu § 487 Rn 22). Hat bereits ein Gericht eines anderen Mitgliedsstaates der EU die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet, ist ein selbstständiges Beweisverfahren in Deutschland zu denselben Beweisfragen unzulässig (Köln VersR 12, 1058). Wird für das Hauptsacheverfahren das Gericht eines bestimmten Mitgliedstaates der EG zuständig sein, kann nicht bei dem Gericht eines anderen Mitgliedsstaates ein selbstständiges Beweisverfahren eingeleitet werden; Art 31 EuGVO bestimmt nämlich für die gerichtliche Zuständigkeit, dass nur die im Recht eines Mitgliedsstaates vorgesehenen ›einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf Sicherung gerichtet sind‹, bei den Gerichten dieses Staates beantragt werden können, wenn für die Entscheidung der Hauptsache das Gericht eines anderen Staates nach der EuGVO zuständig ist; das selbstständige Beweisverfahren stellt sich aber nicht als Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes dar (EuGH JZ 05, 1166; Köln OLGR 06, 661).

Haben die Parteien aber eine Schiedsabrede getroffen und zusätzlich die Geltung ausländischen Rechts auch bzgl der Zuständigkeiten vereinbart, ist ein inländisches Gericht nicht für ein selbstständiges Beweisverfahren zuständig, sofern diese Abrede so zu verstehen ist, dass auch §§ 1025 II, 1033 nicht anzuwenden sind; denn aufgrund der Vereinbarungen der Parteien scheidet eine Verwendung des Gutachtens nach Maßgabe des § 493 aus (Ddorf SchiedsVZ 08, 258; Ddorf BauR 09, 139). Ein im Ausland geführtes selbstständiges Beweisverfahren kann, sofern diesem ausländischen Verfahren ein gerichtlicher Charakter und eine Verwertungsfunktion (›Funktionsäquivalenz‹) zukommen, verjährungshemmend wirken (Hambg MDR 00, 53 [OLG Hamburg 29.09.1999 - 8 W 235/99]; PWW/Deppenkemper § 204 Rz 14); unter dieser Voraussetzung bestehen keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Verwertbarkeit in einem später nach deutschem Recht geführten Rechtsstreit gem § 493 (aA Werner/Pastor Rz 117).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge