Rn 4
Das Hauptsachegericht prüft nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des stattgefundenen selbstständigen Beweisverfahrens (München 19.10.20/25.1.21 – 28 U 4343/20 Bau: ›Das Erstgericht konnte das Gutachten im selbstständigen Beweisverfahren, auch bei ggf fehlender Zuständigkeit des Gerichts … verwerten, § 493‹; wurde die fehlende Zuständigkeit im selbstständigen Beweisverfahren nicht beachtet, kann das Beweisergebnis gleichwohl in jedem Zweig der Gerichtsbarkeit verwendet werden). Das verwertende Gericht muss aber die Einhaltung der Verfahrensordnung, also die Gesetzmäßigkeit iSd §§ 492 I, 355 ff, klären (Celle NZM 98, 158 [OLG Celle 20.11.1996 - 2 U 273/95]). ›Das Gutachten im selbstständigen Beweisverfahren hat eine meist prozessentscheidende Bedeutung erlangt. Es darf jedoch trotz der Neigung der Gerichte, an einem einmal erstatteten Gutachten festzuhalten, nicht übersehen werden, dass das Gutachten im selbstständigen Beweisverfahren auf der Grundlage des Parteivortrags erstattet wird. Stellt sich im Erkenntnisverfahren heraus, dass ein abgewandelter Sachverhalt vorliegt, kann dem im selbstständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachten die Grundlage fehlen. Dann muss das vorliegende Gutachten ergänzt werden, wie auch sonst durch das Gutachten nicht oder möglicherweise unvollständig oder fehlerhaft beantwortete Fragen im Erkenntnisverfahren mit dem SV zu klären sind.‹ (Kniffka/Sacher Kompendium des Baurechts 5A 20 20. Teil Rz 33).
Rn 4a
Eine Wiederholung oder Fortsetzung der Beweiserhebung kommt durch das Prozessgericht nur ausnahmsweise in Betracht, insb wenn die selbstständige Beweiserhebung fehlerhaft iSv § 492 war bzw wenn sie – obwohl dem Zweck des selbstständigen Beweisverfahrens genügend – dem Prozessgericht ergänzungsbedürftig erscheint (Ddorf 8.4.16 – I-22 U 164/15).
Das Gutachten des selbstständigen Beweisverfahrens ist nicht verwertbar, wenn die Beteiligten nicht zu dem Ortstermin des SV eingeladen worden, auch nicht erschienen sind u die nicht eingeladenen Verfahrensbeteiligten der Verwertung nicht zustimmen (Köln DB 74, 111. AA Hamm BauR 03, 930); die Nichtverwertbarkeit folgt nicht aus § 493 II, denn diese Norm gilt nur für den gerichtlichen Termin, sie folgt aus der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Weil die fehlende bzw fehlerhafte Einladung der Partei u der Beigetretenen durchweg dem Gericht nicht erkennbar ist, ist die Rüge des Betroffenen geboten. Hat das Gericht des selbstständigen Beweisverfahrens rechtzeitig gebrachte Ergänzungsfragen nicht zugelassen u stattdessen das selbstständige Beweisverfahren beendet, ist das Ergebnis des Beweisverfahrens trotz Verletzung des rechtlichen Gehörs im Hauptsacheprozess verwertbar (aA Hamm NJW-RR 07, 600), diese Einwendungen sind, sofern sie nicht zurückgenommen werden, indes im Hauptsacheprozess zu beachten mit der Folge, dass darin die Verletzung durch Gewährung rechtlichen Gehörs geheilt wird (Hamm BauR 00, 1372).
Rn 5
Das Prozessgericht ist nicht an das Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens gebunden; erscheint das bisherige Beweisergebnis unzureichend, ist im Hauptsacheverfahren die Fortsetzung der Beweisaufnahme geboten. Das Prozessgericht muss ferner beachten, dass Grundlage des im selbstständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachtens durchweg der Parteivortrag des ASt ist; es muss mithin immer prüfen, ob im Hauptsacheverfahren ein geänderter Sachverhalt gegeben ist. Im Hauptsacheprozess können Fragen an den SV, die bereits im selbstständigen Beweisverfahren gestellt u beantwortet worden sind, mit der Begründung des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückgewiesen werden.
Ob u inwieweit ein Vorbringen, welches im selbstständigen Beweisverfahren hätte gebracht werden können, im Hauptsacheverfahren präkludiert ist, mithin der Umfang des auf §§ 485 ff grds anwendbaren 296 I, ist wohl noch umstr. Vertreten wird die Auffassung, dass Einwendungen, die trotz ordnungsgemäßer Fristsetzung, will heißen: bei Zustellung der Fristsetzung verbunden mit dem Hinweis auf die Rechtsfolgen, im selbstständigen Beweisverfahren nicht gebracht werden, im Hauptsacheprozess wg Verspätung präkludiert sein können (LG Berlin BauR 07, 920; Brandbg BauR 08, 1499; Celle NJW-RR 09, 1364; Brandbg IBR 09, 554: BGH IBR 11, 310, 1585: ›Denn nach § 493 Abs 1 steht die Beweiserhebung im selbstständigen Beweisverfahren einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich. Dass diese Gleichstellung auch für präklusionsrelevantes Verhalten gilt, wird durch § 492 Abs 1 bestätigt. Diese Norm verweist auf die für die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht geltenden Normen u damit auch auf die Regelungen der §§ 411 Abs 4, 296 Abs 1 u 4.‹; zust Gartz BauR 11, 906; Klein NZBau 12, 8; Musielak/Voit/Huber § 493 Rz 4. AA Hamm BauR 00, 1372; Zweibr OLGR 06, 408; München BauR 08, 716; BGH 12.5.11 – IX ZR 155/10: ›Einwendungen gg das Gutachten im selbstständigen Beweisverfahren können nach ständiger Rspr des BGH auch im Prozess noch vorgetragen werden.‹; Frankf IBR 12, 57;BGH NJW 12, 3787 [...