Prof. Dr. Markus Gehrlein
Rn 1
Die Parteieigenschaft ist ein Schlüsselbegriff des Prozessrechts; sie hat Bedeutung für Gerichtsstand, Prozesskostenhilfe, Rechtshängigkeit, Zustellung, Richterausschluss und -ablehnung, Verfahrensunterbrechung, Beweisverfahren, Rechtskraft und Zwangsvollstreckung (vgl BGH WM 21, 2340 Rz 22). Die Partei ist Trägerin des Prozessrechtsverhältnisses und kann darum weder die Funktion eines Zeugen noch eines Nebenintervenienten einnehmen. Die Rechtsstellung der Parteien ist formell gleichartig, weil sie über identische prozessuale Rechte, etwa den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 I GG), verfügen. In materieller Hinsicht ist ihre Rechtsstellung unterschiedlich ausgestaltet, weil der Kl schlimmstenfalls mit der Folge der Kostentragung unterliegen, der Bekl indes über die Kostenpflicht hinaus zu einer Leistung an den Kl verurteilt werden kann.
I. Parteibegriff.
Rn 2
Die ZPO geht vom formellen Parteibegriff aus: Partei ist, wer als (natürliche oder juristische) Person im eigenen Namen vor den staatlichen Gerichten Rechtsschutz begehrt (Kl), sowie derjenige, gegen den Rechtsschutz (Bekl) begehrt wird (BGHZ 4, 328, 334 = NJW 52, 545). Maßgeblich ist allein, wer in der Klageschrift als Kl und Bekl bezeichnet und wem in der Eigenschaft als Bekl die Klage zugestellt wird. Der Parteibegriff ist vom materiellen Recht abgekoppelt. Es spielt abw vom materiellen Parteibegriff keine Rolle, ob der Kl Inhaber des Anspruchs und der Bekl tatsächlich Schuldner ist. Kl kann sein, wem das Eigentum an der herausverlangten Sache (§ 985 BGB) nicht zusteht, Bekl, wer sich nicht im Besitz der Sache (§ 854 BGB) befindet. In beiden Fällen ist die zulässige Klage unbegründet. Weder ein Bevollmächtigter noch ein gesetzlicher Vertreter ist mangels Prozessführung im eigenen Namen Partei, wohl aber die Partei kraft Amtes. Die Parteien werden im Erkenntnisverfahren als Kl und Bekl, im Scheidungs- (§§ 121 ff FamFG) und Mahnverfahren (§ 688) als Antragsteller und Antragsgegner und im Zwangsvollstreckungsverfahren als Gläubiger und Schuldner bezeichnet (BGH WM 21, 2340 Rz 1).
II. Zweiparteienprinzip (Verbot des Insichprozesses).
Rn 3
Der Zivilprozess lebt vom Parteiengegensatz, also einer Konstellation, in der sich zwei Parteien als Angreifer und Verteidiger gegenüberstehen. Darum endet ein Prozess, nachdem sich kraft Erbgangs in einer Person die Parteistellung von Kl und Bekl vereinigt (BGH NJW-RR 99, 1152; FamRZ 11, 288 Rz 7 ff). Wegen des notwendigen Interessengegensatzes müssen Kl und Bekl personenverschieden sein, was die Möglichkeit eines Insichprozesses, etwa die Klage einer fiskalischen Stelle des Staates gegen eine andere, verbietet. Organstreitigkeiten innerhalb einer juristischen Person sind unter einschränkenden Voraussetzungen zulässig (BGH NJW 08, 69, 74; Zö/Vollkommer Vor § 50 Rz 1). Eine nicht rechtsfähige, aber parteifähige Untergliederung eines Vereins kann gegen den rechtsfähigen Verein klagen (BGH NJW 08, 69, 74). Unschädlich ist es, wenn die Partei Gesellschafter der parteifähigen Gegenpartei ist. Allerdings kann eine KG im Rechtsstreit gegen ihren Komplementär nicht von diesem vertreten werden (BGH ZIP 10, 2345 Rz 11). An einem Prozess sind stets zwei Personen – nicht mehr und nicht weniger – beteiligt. Zwar können auf jeder Parteiseite mehrere Personen als Streitgenossen (§§ 59 bis 63) involviert sein. In diesem Fall steht aber jeder Streitgenosse in einem eigenen Rechtsverhältnis zu der Gegenseite, so dass der Grundsatz des Zweiparteienprozesses nicht berührt wird. Tatsächlich werden iRe Streitgenossenschaft lediglich mehrere Parallelprozesse zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zusammengefaßt (MüKoZPO/Lindacher Vor § 50 Rz 9). Dritte, die aus eigenem Antrieb oder auf eine Streitverkündung als Nebenintervenient dem Rechtsstreit beitreten (§§ 66 ff), sind nicht Partei und verfügen über weitaus geschmälerte prozessuale Befugnisse. Wird die Partei eines Rechtsstreits Alleinerbin ihres Gegners, endet das Verfahren wegen des Verbots des Insichprozesses in der Hauptsache, ohne dass eine Kostenentscheidung nach § 91a erfolgt (BGH RR 11, 487 Rz 7 ff).