Prof. Dr. Markus Gehrlein
I. Nichtrechtsfähiger Verein.
Rn 27
Die Unterscheidung zwischen dem eingetragenen, rechtsfähigen Verein (§§ 21, 55 BGB) und dem nicht eingetragenen nichtrechtsfähigen Verein (§ 54 S 1 BGB) fand ihre Fortsetzung idF des früheren § 50 II, der den letztgenannten Vereinigungen lediglich die passive Parteifähigkeit zuerkannte. Nach Streichung der Vorschrift wird dem nichtrechtsfähigen Verein ausdrücklich auch die aktive Parteifähigkeit zugebilligt. Der Ausschluss der aktiven Parteifähigkeit (vgl noch BGHZ 109, 15 = NJW 90, 186) war schon zuvor durch die Rechtsentwicklung überholt. Den als nicht rechtsfähige Vereine organisierten Gewerkschaften, denen § 10 ArbGG in Arbeitsgerichtsverfahren die volle Parteifähigkeit verleiht, wurde bereits seit dem Jahre 1968 auch in Zivilverfahren die allgemeine aktive Parteifähigkeit zugebilligt (BGHZ 50, 325 = NJW 68, 1830; BGHZ 109, 15, 17 = NJW 90, 186). Nachdem die aktive und passive Parteifähigkeit der GbR außer Zweifel stand (BGHZ 146, 341 = NJW 01, 1056) und § 54 S 1 BGB auf das Recht der GbR verweist, konnte auch nach dem früheren Gesetzeswortlaut dem nichtrechtsfähigen Verein die aktive Parteifähigkeit nicht weiter vorenthalten werden (BGH NJW 08, 69, 74 [BGH 02.07.2007 - II ZR 111/05]). Wie ein rechtsfähiger setzt auch ein nichtrechtsfähiger Verein eine körperschaftliche Struktur, die Unabhängigkeit vom Mitgliederwechsel, einen Gesamtnamen und eine längere Dauer voraus. Damit sind auch als nichtrechtsfähiger Verein geführte Unterorganisationen rechtsfähiger und nichtrechtsfähiger Vereine (Landesverband einer Gewerkschaft, Ortsverband einer Partei, Tennis- oder Ruderabteilung eines Sportvereins) uneingeschränkt parteifähig. Eine rechtlich selbstständige Unterabteilung eines Hauptverbandes ist gegeben, sofern sie in wirtschaftlicher Selbstständigkeit auf Dauer nach außen unter einem eigenen Namen Aufgaben durch eine eigene Organisation – Vorstand und Mitgliederversammlung – wahrnimmt. Es reicht aus, wenn die Untergliederung auf die Satzung des Hauptverbandes Bezug nimmt (BGHZ 90, 331 = NJW 84, 2223). Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) einer Universität ist – im Gegensatz zu der Studierendenschaft selbst – weder rechts- noch parteifähig (Frankf NJW 18, 1106 [OLG Karlsruhe 15.09.2017 - 6 W 31/17]).
II. Wohnungseigentümergemeinschaft.
Rn 28
Abweichend von der früheren Rspr wird die Wohnungseigentümergemeinschaft durch § 9a WEG als rechts- und parteifähig angesehen. Die Rechtsfähigkeit ist abweichend zum früheren Recht nicht auf den Rahmen der gesamten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums beschränkt (Schultzky MDR 20, 1409, 1410). Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übt gem § 9a Abs 2 WEG die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte sowie solche Rechte der Wohnungseigentümer aus, die eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern, und nimmt die entsprechenden Pflichten der Wohnungseigentümer wahr. Die Rechtsfähigkeit ist sowohl im Verhältnis zu außenstehenden Dritten als auch im Innenverhältnis zu den Wohnungseigentümern gegeben (BGHZ 163, 154, 177 f = NJW 05, 2061; 172, 42 = NJW 07, 1952; 172, 63, 69 = NJW 07, 1957), sofern etwa Beitragszahlung (BGH NJW 06, 2187 [BGH 30.03.2006 - V ZB 17/06] Tz 11; München NJW-RR 05, 1326 [OLG München 13.07.2005 - 34 Wx 061/05]) oder Schadensersatz (München NJW 06, 1293) verlangt wird. Die Gemeinschaft kann auch Ansprüche wegen Mängeln an der Bausubstanz des Gemeinschaftseigentums verfolgen (BGHZ 172, 63, 70 = NJW 07, 1957; Lang ZfIR 20, 809, 812). Die Gemeinschaft kann in diesen Fällen ohne Rücksicht auf den Mitgliederbestand klagen und verklagt werden. Die Gemeinschaft ist unter Angabe des gemeinschaftlichen Grundstücks (›Gemeinschaft der Wohnungseigentümer X-Straße, vertreten durch den Verwalter Y‹) – ohne die Notwendigkeit der Benennung der Miteigentümer – zu kennzeichnen. Ansprüche auf Abwehr von Störungen (§ 1004 BGB) sind durch die Gemeinschaft in Vertretung durch den Verwalter geltend zu machen (Lang ZfIR 20, 809, 812 f). Gegen die Gemeinschaft gerichtete Klagen sind dem Verwalter als gesetzlichem Vertreter zuzustellen (§ 9b Abs 2 WEG). Die auf Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum (Nachbesserung nach § 439 Abs 1 BGB) unterfallen nicht der Ausübungsbefugnis gem § 9a Abs 2 WEG. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann solche Rechte auch nach der Änderung des WEG weiterhin gem § 18 Abs 1, § 19 Abs 2 Nr 2 WEG durch Mehrheitsbeschluss zur alleinigen Durchsetzung an sich ziehen (BGH BeckRS 22, 37587 Rz 24 ff). Erhebt der Verwalter im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Klage gegen einzelne Wohnungseigentümer, sind Beschränkungen seiner Vertretungsmacht im Innenverhältnis, die die Befugnis zur Klageerhebung betreffen, jedenfalls im Grundsatz nicht zu überprüfen (BGH DWW 22, 337 Rz 13). Falls kein Verwalter vorhanden ist, wird die Gemeinschaft gem § 9b Abs 1 S 2 WEG durch die Wohnungseigentümer vertreten (BGH NJW 22, 3003 Rz 31). Die nach altem Recht bestehende Möglichkeit, einen oder mehrere ...