Prof. Dr. Markus Gehrlein
1. Irrtümliche Inanspruchnahme des falschen Beklagten.
Rn 6
Für die Parteistellung ist allein ausschlaggebend, welche Person von dem Kl in der Klageschrift als Bekl benannt wird. Wegen des formellen Parteibegriffs ist es ohne Bedeutung, ob es sich bei dem Bekl tatsächlich um den materiell Verpflichteten handelt. Die von dem Kl – gleich ob infolge eines Versehens oder einer Unsicherheit über die Person des Schuldners – individualisierte ist die ›richtige‹ Partei, selbst wenn sie nach dem einschlägigen Sachrecht keine Verpflichtung trifft. Aufgrund des in der Klageschrift manifestierten Willens des Kl wird also auch der Bekl, der dem Kl nichts schuldet, Partei; ihm fehlt aber die Passivlegitimation, so dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist (BGH NJW 87, 1946 f [BGH 26.02.1987 - VII ZR 58/86]). Zur Vermeidung einer Abweisung kann der Kl die Klage zurücknehmen; ferner ist an einen gewillkürten Parteiwechsel zu denken. Hingegen scheidet eine einseitige Erledigungserklärung aus, weil die Klage von Anfang an unbegründet war. Auch eine Parteiberichtigung kommt, weil sie zu einer Änderung der Parteiidentität führen würde, nicht in Betracht. Die im Prozess unterlegene falsche Partei ist stets zur Rechtsmitteleinlegung berechtigt (BGH NJW-RR 05, 118 [BGH 08.03.2004 - II ZR 175/02]).
2. Zustellung an Nichtbeklagten.
Rn 7
Die Klage kann nach dem Inhalt der Klageschrift gegen den ›richtigen‹ Beklagten als wahren Schuldner gerichtet sein, aber versehentlich einem Dritten – etwa einem Namensvetter (plastisch Saarbr OLGR 97, 253) – zugestellt werden. In dieser Konstellation wird niemand Partei: Dies folgt für den Zustellungsempfänger daraus, dass er nach dem erkennbaren Willen des Kl nicht Partei werden sollte und die Zustellung nicht die Funktion hat, den Beklagten zu bestimmen, sondern ihn zwecks Übermittlung der Klageschrift anzutreffen. Die in der Klageschrift als Bekl bezeichnete Person wird ebenfalls nicht Partei, weil es ihr ggü an einer wirksamen Zustellung fehlt (BGH NJW 94, 3232 f; NJW-RR 95, 764 f). Der Zustellungsempfänger ist als Scheinbeklagter (Hamm NJW-RR 99, 217 [OLG Hamm 16.02.1998 - 18 U 155/97]) zur Geltendmachung dieses Fehlers im Rechtsstreit berechtigt. Räumt der Kl die Fehlzustellung ein, kann der Scheinbeklagte, der als Außenstehender keinem Anwaltszwang unterliegt, beantragen, durch Beschl – nicht Urt (BGH NJW-RR 08, 582, 583 [BGH 27.11.2007 - X ZR 144/06] Rz 15) – aus dem Prozess entlassen zu werden und die ihm entstandenen Kosten dem Kl, sofern dieser die falsche Zustellung zurechenbar veranlasst hat, aufzuerlegen (BGH NJW-RR 95, 764 f; Stuttg NJW-RR 99, 216). Dabei beschränkt sich der Erstattungsanspruch auf die Kosten, die zur Geltendmachung der fehlenden Parteistellung notwendig waren (München JurBüro 10, 144). Ist bereits ein Titel ergangen, kann der Scheinbeklagte die dagegen eröffneten Rechtsmittel einlegen (BGH NJW-RR 95, 764 f; Saarbr OLGR 97, 253), was hier wegen der erstrebten Sachentscheidung die Einschaltung eines Anwalts (§ 78 I) erfordert. Den Zustellungsempfänger kann der Kl – was bei einer Rechtsnachfolge sachgerecht erschiene – durch eine ausdrückliche Erklärung zum Beklagten bestimmen (BGH NJW 94, 3232 f). Zwecks Einleitung des Rechtsstreits gegen den von dem Kl bezeichneten ›richtigen‹ Beklagten ist eine fehlerfreie Zustellung an diese Person erforderlich, es sei denn, der Zustellungsmangel wird gem § 295 durch rügelose Einlassung geheilt (BGH NJW 94, 3232 f). Für eine Parteiberichtigung ist kein Raum, weil bei einer Fehlzustellung ein Bekl gar nicht vorhanden ist. Gegen einen Berichtigungsbeschluss kann die Scheinpartei nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung sofortige Beschwerde (§ 319 III) einlegen (Stuttg NJW-RR 99, 216 [OLG Stuttgart 09.04.1998 - 2 W 11/98]).
3. Identität von Partei und als Partei Auftretendem.
Rn 8
Im Parteiprozess hat das Gericht vAw, im Anwaltsprozess nur auf Rüge (§ 88 II) einer Partei (Nürnbg OLGZ 87, 482, 485; St/J/Bork Vorb Rz 13; Zö/Vollkommer Vor § 50 Rz 10; aA Musielak/Voit/Weth Rz 11) Zweifeln nachzugehen, ob die im Verfahren auftretende Person mit der Partei identisch ist. Besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen, dass der Handelnde nicht mit der Partei identisch ist, sind die von ihm vorgenommenen Prozesshandlungen unbeachtlich. Der Handelnde scheidet ohne die Notwendigkeit einer richterlichen Entscheidung aus dem Prozess aus; auf Antrag kann dies durch einen klarstellenden Beschl verlautbart werden (Musielak/Voit/Weth Rz 11). Ein Streit über die Identität ist durch Zwischenurteil zu entscheiden, das mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist: Wird die Identität verneint, ist der Handelnde durch unechtes Zwischenurteil (§ 71) aus dem Prozess zu verweisen. Falls der Handelnde mit der Partei identisch ist, wird dies durch ein echtes Zwischenurteil (§ 303) festgestellt (Zö/Vollkommer Vor § 50 Rz 10). Prozesshandlungen des fälschlich Auftretenden wirken nicht zu Lasten der wahren Partei, können von ihr aber genehmigt werden. Ein ohne Aufdeckung der fehlenden Identität ergangenes Urt erzeugt formelle und materielle Rechtskraft zum Nachteil der richtigen Partei, kann von ihr a...