Prof. Dr. Markus Gehrlein
1. Prozessrechtliche Ermächtigung.
Rn 34
Veräußert der Kl die streitbefangene Sache oder tritt er die Klageforderung nach Rechtshängigkeit ab, verliert er zwar die Aktivlegitimation, ist aber gem § 265 berechtigt, in Prozessführungsbefugnis des Erwerbers bzw Zessionars den Rechtsstreit fortzusetzen. Zur Vermeidung einer Klageabweisung ist der Antrag auf Leistung an den nunmehr Berechtigten umzustellen (BGHZ 158, 295, 304 = NJW 04, 2152, 2154). Auch in den – nach Rechtshängigkeit verwirklichten – Fällen der Bestellung eines Nießbrauchs an dem streitbefangenen Gegenstand, seiner Verpfändung sowie der Pfändung und Überweisung der eingeklagten Forderung durch einen Gläubiger des Kl führt dieser den Rechtsstreit für den Gläubiger mit der Maßgabe fort, dass der Antrag auf Leistung an den Gläubiger lautet (BGH NJW 86, 3206 [BGH 12.03.1986 - VIII ZR 64/85]). § 265 ist bei einem Übergang gesetzlichen Unterhaltsforderungen (§ 94 I SGB XII) einschlägig (BGH NJW-RR 95, 1219). Nicht anwendbar ist die Bestimmung bei einem Wechsel oder einer Beendigung der Prozessführungsbefugnis (BGHZ 155, 38, 40 ff = NJW-RR 03, 1419). Erfährt der Bekl nach Rechtshängigkeit von einer bereits vor dem Prozess erfolgten Forderungsabtretung (Situation des § 407 II BGB), kann er entweder mangels Sachlegitimation Abweisung der Klage beantragen oder den Rechtsstreit mit dem Zedenten als Prozessstandschafter des Zessionars, dem die Übernahme des Prozesse verwehrt ist, fortführen (R/S/G § 46 Rz 31 f).
2. Materiell-rechtliche Ermächtigung.
Rn 35
Das durch §§ 1368, 1369 BGB begründete Revokationsrecht eines Ehegatten, die Unwirksamkeit von Verfügungen des anderen Ehegatten (§ 1365: Vermögen im ganzen; § 1369: Haushaltsgegenstände) geltend zu machen, ist eine Erscheinungsform der gesetzlichen Prozessstandschaft. Ebenso verhält es sich mit der Unterhaltsklage eines vertretungsberechtigten Elternteils für Unterhaltsansprüche des minderjährigen Kindes gegen den anderen Elternteil während des Getrenntlebens oder der Anhängigkeit der Ehesache (§ 1629 III; BGH NJW 83, 2084 [BGH 23.02.1983 - IVb ZR 359/81]). Endet die gesetzliche Verfahrensstandschaft eines Elternteils mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes, so kann das Kind als Antragsteller in das Verfahren nur im Wege des nicht der Zustimmung des Antragsgegners bedürftigen gewillkürten Beteiligtenwechsels eintreten (BGH NJW 13, 2595 [BGH 19.06.2013 - XII ZB 39/11] Rz 7). Im Rahmen einer Gütergemeinschaft wird der Ehegatte, der das Gesamtgut verwaltet, in allen das Gesamtgut betreffenden gerichtlichen Verfahren als Prozessstandschafter tätig (§ 1422 BGB). Der nicht verwaltende Ehegatte ist in den Fällen der §§ 1428, 1429 S 2 zum Prozessstandschafter berufen. Der überlebende Ehegatte hat bei fortgesetzter Gütergemeinschaft für das Gesamtgut Prozessführungsbefugnis (§ 1487 BGB). Bei einer Erbengemeinschaft ermächtigt § 2039 BGB den einzelnen Erben zur Geltendmachung von Nachlassansprüchen gegen Dritte (R/S/G § 46 Rz 25), während die Bestimmung die Erhebung von Gestaltungsklagen nicht erfasst. Ansprüche einer Personengesellschaft (GbR, OHG, KG) aus dem Gesellschaftsverhältnis (Sozialansprüche) können von einzelnen Gesellschaftern zugunsten der Gesellschaft gegen Mitgesellschafter geltend gemacht werden (actio pro socio: BGH NJW 01, 1210 [BGH 15.01.2001 - II ZR 48/99]; 92, 1890, 1892 [BGH 23.03.1992 - II ZR 128/91]; 85, 2830 f). Der Gesellschafter einer Zwei-Personen-GmbH kann unter den Voraussetzungen der actio pro socio die Ausschließungsklage gegen den anderen Gesellschafter erheben (BGH WM 23, 1747 Rz 10 ff). Scheidet der Gesellschafter nach Rechtshängigkeit der actio pro socio aus der Gesellschaft aus, wird die Klage ohne die Möglichkeit eines Rückgriffs auf § 265 unzulässig (Karlsr NJW 95, 1296 f [OLG Karlsruhe 09.12.1993 - 11 U 50/91]). Ansprüche der Gesellschaft gegen Dritte können von einzelnen Gesellschaftern durchgesetzt werden, wenn ein Gesellschafter unter Zurückstellung von Gesellschaftsinteressen in bewusstem Zusammenwirken mit dem Schuldner seine Beteiligung an der Geltendmachung der Gesellschaftsforderung verweigert (BGHZ 102, 152, 155 = NJW 88, 558 f; BGHZ 17, 340, 346 f = NJW 55, 1393 f; Saarbr OLGR 01, 90) oder ein Gesellschafter die Einziehung einer Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen ablehnt und der verklagte Schuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist (BGHZ 102, 152, 155 = NJW 88, 558 f; BGHZ 39, 14, 17 = NJW 63, 641, 643; DB 08, 1620, 1622 Rz 37; Saarbr OLGR 01, 90; St/J/Bork vor § 50 Rz 37a). Diese Voraussetzungen müssen positiv feststehen; lediglich erhebliche Anhaltspunkte für ihr Eingreifen genügen nicht (BGH DB 08, 1620, 1622 f Rz 38). Schließlich kann ein Gesellschafter aufgrund einer Notgeschäftsführung (analog § 744 II BGB) zum Forderungseinzug berechtigt sein (BGH DB 08, 1620, 1622 Rz 36; Saarbr OLGR 01, 90). Die unmittelbar auf § 744 II BGB gestützte Notprozessführung eines einzelnen Bruchteilsberechtigten (§§ 741 ff BGB) ist ein Fall der Prozessstandschaft (BGHZ 110, 220, 224 = NJW 90, 1106; BGHZ 94, 117, 120 f = NJW 8...