I. Inhalt und Frist.
Rn 6
Die Anwendung von § 510b erfolgt nur auf Antrag, nicht vAw. Der Antrag kann schriftlich oder mündlich, auch zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 496) gestellt werden, und zwar bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung 2. Instanz. Er hat das Begehren des Klägers und die Begründung hierfür (MüKoZPO/Deubner Rz 6; aA Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO Rz 4) auf Fristsetzung gem § 255 einerseits und auf Entschädigung andererseits zu enthalten, wobei der Entschädigungsantrag nicht notwendigerweise zu beziffern ist. Dies ist allerdings ratsam, schon allein, um Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Beschwer zu geben. Mit Antragstellung tritt Rechtshängigkeit des Entschädigungsanspruches ein (§ 261 I).
II. Verfahren.
1. Vorrang § 259.
Rn 7
Im Rahmen des Verfahrens hat das Gericht auf den entsprechenden Antrag des Klägers auf Fristsetzung und Entschädigungszahlung hin zunächst zu prüfen, ob neben den Voraussetzungen der §§ 255 und 510b auch die Voraussetzungen des § 259 gegeben sind. Ist dies der Fall, ist es verpflichtet, über den Entschädigungsantrag nach Maßgabe des § 259 zu entscheiden. Dies ergibt sich einerseits aus dem Wortlaut des § 259, der dem Gericht kein Ermessen einräumt, andererseits auch aus der Überlegung, dass der Ausspruch gem §§ 255, 259 für den Kl angesichts der Regelung in § 888a die günstigere Alternative darstellt (vgl auch MüKoZPO/Deubner Rz 8). Im Unterschied zu einer Verurteilung gem § 510b wäre es dem Kl insoweit nämlich trotz Stattgabe des Sekundärantrages nicht verwehrt, den Primäranspruch im Wege der Zwangsvollstreckung zu verfolgen.
2. Ermessen.
Rn 8
Liegen die Voraussetzungen des § 259 dagegen nicht vor, hat das Gericht im Hinblick auf die Anwendung des § 510b einen Ermessensspielraum, wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift (›kann‹) ergibt (allgM, vgl etwa Musielak/Voit/Wittschier Rz 5 mwN; aA Anders/Gehle/Bünnigmann ZPO Rz 5), insb auch im Vergleich mit der Parallelvorschrift des § 61 II ArbGG, wonach der Beklagte in einer entsprechenden Konstellation ausdrücklich zu verurteilen ›ist‹ (vgl auch MüKoZPO/Deubner Rz 9). Bei Ausübung des Ermessens wird das Gericht die Sachdienlichkeit des Vorgehens gem § 510b im Hinblick auf die mit der Regelung bezweckte Verfahrenserleichterung und -straffung einerseits, die Sicherung der Rechtspositionen und das Interesse des Klägers andererseits zu berücksichtigen haben. Hier kann es bspw sinnvoller sein, dem Kl einen schnellen Titel betreffend den Primäranspruch zu verschaffen, der dann gem §§ 887 ff durchgesetzt werden könnte, als eine zeitraubende und aufwändige Beweisaufnahme betreffend den Sekundäranspruch mit den damit einhergehenden Verzögerungen und sonstigen Nachteilen für den Kläger – auch etwa im Hinblick auf das Vollstreckungshindernis in § 888a – durchzuführen. Ggf sind den Parteien entsprechende Hinweise gem 139 zu erteilen.
III. Urteil.
1. Einheitliche Entscheidung.
Rn 9
Übt das Gericht sein Ermessen dahingehend aus, dass über den Sekundäranspruch entschieden werden soll, hat eine einheitliche Entscheidung über Primär- und Sekundäranspruch zu ergehen. Die eine Verurteilung hat nämlich nach dem Wortlaut der Regelung ›zugleich‹ mit der anderen zu erfolgen. Ein Teilurteil ist insoweit unzulässig, auch im Hinblick auf sonst entstehende Unsicherheiten betreffend die Folgen für die Vollstreckbarkeit der Entscheidung über den Sekundäranspruch gem § 888a (Zö/Herget Rz 4, MüKoZPO/Deubner Rz 19). Sind sowohl der Primär- als auch der Sekundäranspruch einschließlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 255 begründet, ist die Verurteilung dahingehend auszusprechen, dass nach Ablauf der entsprechenden Frist, die das Gericht nach Maßgabe des Klageantrags, des materiellen Rechts und ggf seines Ermessens setzt, die Entschädigungsleistung zu erfolgen hat.
2. Keine Entscheidung über Entschädigungsanspruch.
Rn 10
Sieht das Gericht im Rahmen seines Ermessens von einer Entscheidung über den Entschädigungsanspruch ab, wird der Primäranspruch zugesprochen, iÜ der Sekundärantrag – und zwar im Tenor des Urteils (aA Zö/Herget Rz 5 – nur in den Entscheidungsgründen) – als unzulässig abgewiesen. Dies gilt auch, wenn der Sekundärantrag mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 510b (oder des § 259) keinen Erfolg hat (tw aA Musielak/Voit/Wittschier Rz 6). Andernfalls könnten sich Unsicherheiten darüber ergeben, ob sich die Rechtskraft der jeweiligen Entscheidung auch auf den materiellen Entschädigungsanspruch bezieht mit der Folge, dass dem Kl dessen Geltendmachung uU auch in einem Folgeprozess verwehrt wäre. Daher erfolgt nur bei Nichtvorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch die Abweisung als unbegründet.
3. Kein Primäranspruch.
Rn 11
Besteht bereits der Primäranspruch nicht, ist der Sekundäranspruch ohnehin gegenstandslos.