Rn 15
Er allein, und nicht die Beschwer des Berufungsführers aus dem erstinstanzlichen Urt, ist maßgeblich für die Zulässigkeit der Berufung (BGH NJW 02, 2720, 2721 [BGH 27.06.2002 - V ZR 148/02]). Auf den Kostenstreitwert kommt es ebenfalls nicht an.
1. Beschwerdegegenstand.
Rn 16
Darunter versteht man den Teil der Beschwer, den der Berufungsführer mit seinem Rechtsmittel beseitigen will. Sein Wert bestimmt sich danach, inwieweit sich die Beschwer und der Berufungsantrag decken. Der Wert kann deshalb nicht höher sein als die Beschwer aus dem angefochtenen Urt, auch wenn mit dem Berufungsantrag die Klage erweitert oder eine Widerklage erhoben wird.
2. Beschwer.
a) Allgemeines.
Rn 17
In welchem Umfang eine Partei beschwert ist, steht mit dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils fest; spätere Änderungen und insb die Berufungsanträge wirken sich nicht auf die Beschwer aus. Denn sie folgt aus dem angefochtenen Urt und besteht in dem Unterschied zwischen demjenigen, was der Rechtsmittelführer in der 1. Instanz bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (BGH NJW-RR 09, 853 [BGH 19.03.2009 - IX ZB 152/08]) erreichen wollte, und demjenigen, was er erreicht hat (formelle Beschwer, BGH NJW-RR 07, 138, 139 [BGH 20.12.2005 - XI ZR 66/05]; zur materiellen Beschwer des Bekl s Rn 36). Maßgeblich ist somit nur seine eigene Beschwer, nicht die des Gegners. Unerheblich ist, welchen tatsächlichen oder rechtlichen Einfluss die erstinstanzliche Entscheidung auf andere Rechtsverhältnisse hat (BGH GuT-W 13, 73). Legen mehrere Streitgenossen die Berufung ein, ist die Beschwer eines jeden nur dann zusammenzurechnen, wenn die Streitgegenstände nicht wirtschaftlich identisch sind. Bei der Klage gegen mehrere Gesamtschuldner findet eine Zusammenrechnung wegen wirtschaftlicher Identität der Streitgegenstände nicht statt (BGH NJW-RR 91, 186). Die aus der Kostenentscheidung in dem Urt folgende Beschwer ist für die Zulässigkeit der Berufung ohne Belang (BGH NJW-RR 07, 765). Übergeht das erstinstanzliche Gericht einen von mehreren Klageanträgen, ist neben dem Ergänzungsverfahren nach § 321 I auch der Berufungsrechtszug eröffnet, wenn sich dieses Versäumnis nicht nur in einer bloßen Unvollständigkeit der Entscheidung erschöpft, sondern zu einem sachlich unrichtigen Urt führt (BGHReport 09, 1217). Bei einem Feststellungsantrag muss das Berufungsgericht auch solche Schadenspositionen berücksichtigen, die in 1. Instanz nicht geltend gemacht und auch nicht zur Begründung des Feststellungsantrags konkretisiert wurden (BGH NJW 11, 615). Ausreichend ist eine bloß scheinbare Beschwer, die dann gegeben ist, wenn eine im Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ausgesprochene Teilabweisung der Klage mit den rechtskraftfähigen Entscheidungsgründen, nach denen die Klage in vollem Umfang begründet ist, nicht übereinstimmt (BGH NJW 93, 2052, 2053). An der Beschwer fehlt es, wenn der Klage vollständig stattgegeben worden ist, auch wenn das erstinstanzliche Gericht eine oder mehrere geltend gemachte Anspruchsgrundlagen verneint hat (BGH NJW 93, 2052, 2053 [BGH 10.03.1993 - VIII ZR 85/92]). Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn das Gericht der Klage auf der Grundlage eines nicht (mehr) gestellten Sachantrags stattgegeben hat (BGH NJW 04, 2019, 2020 [BGH 12.03.2004 - V ZR 37/03]). Für den Beklagten liegt die Beschwer in dem Betrag oder Wert seiner Verurteilung (materielle Beschwer, BGH NJW-RR 07, 765 [BGH 18.01.2007 - IX ZB 170/06]). Wurde er zur Zahlung verurteilt, entfällt seine Beschwer, wenn er nach dem Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und vor Einlegung der Berufung den Urteilsbetrag vorbehaltlos zahlt (BGH NJW 94, 942, 943 [BGH 16.11.1993 - X ZR 7/92]). Ist der Beklagte zusammen mit anderen als Gesamtschuldner verurteilt worden, entfällt seine Beschwer nicht dadurch, dass die anderen den Urteilsbetrag bezahlt haben, wenn er in dem Berufungsverfahren die Rechtmäßigkeit seiner gesamtschuldnerischen Verurteilung angreift (BGH Beschl v 7.12.10, VI ZB 87/09).
b) Beispiele.
Rn 18
Das Anerkenntnisurteil (§ 307) beschwert den Beklagten grds nicht; hat er sein Anerkenntnis unter einem Vorbehalt abgegeben und verurteilt das Gericht ihn vorbehaltlos, ist er jedoch in Höhe des Werts des nicht berücksichtigten Vorbehalts beschwert (Schlesw MDR 05, 350). Hat das Gericht die Klage durch Prozessurteil abgewiesen und will der Beklagte mit der Berufung eine Verurteilung gem seinem Anerkenntnis erreichen, fehlt ihm die notwendige materielle Beschwer (BGH MDR 15, 853, 854 [BGH 11.03.2015 - XII ZB 553/14]).
Rn 19
Bei der Aufrechnung des Beklagten ist zu unterscheiden: Bestreitet er nicht die Klageforderung, sondern rechnet er gegen sie mit einer eigenen Forderung gegen den Kl auf, ist er bei einer Verurteilung in Höhe des Urteilsbetrags beschwert (BGH WuM 04, 492). Bestreitet der Bekl dagegen die Klageforderung und rechnet hilfsweise mit einer Gegenforderung auf, ist er bei einer Verurteilung in Höhe der Urteilssumme und der aberkannten Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung (§ 322 II) beschwert. Wird die Klage au...