Gesetzestext
Der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts (§ 511 Rn 1) beschränkt sich nicht nur auf das angefochtene Urt, sondern erstreckt sich auch auf Vorentscheidungen, die das erstinstanzliche Gericht bis zum Erlass seines Urteils getroffen hat. Das ermöglicht die umfassende Überprüfung der Entscheidungsfindung des Vordergerichts. Allerdings schränkt das Gesetz diese Kompetenz sofort wieder ein, indem es solche dem Endurteil vorausgegangenen Entscheidungen als bindend für das Berufungsgericht bestimmt, die nach der ZPO unanfechtbar oder mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind.
B. Überprüfbare Vorentscheidungen.
Rn 2
Das Berufungsgericht überprüft iRd Fehlerkontrolle die erstinstanzlichen Vorentscheidungen. Auf diesem Wege unterfallen Zwischenurteile (§ 303), Beschlüsse zB über die Beanstandung von Prozessleitung oder Fragen (§ 140), Prozesstrennung (§ 145), Prozessverbindung (§ 147) und Beweisaufnahme (§ 358) sowie Terminsbestimmungen (§ 216) und die mündliche Verhandlung vorbereitende Verfügungen (§§ 273, 275) der Beurteilung des Berufungsgerichts. Dieses hat auch die Entscheidung des unteren Gerichts nach § 321a V, das Verfahren aufgrund einer Anhörungsrüge fortzuführen, daraufhin zu überprüfen, ob die Anhörungsrüge statthaft, zulässig und begründet war (BGH WM 16, 2147, 2148).
Rn 3
Hat sich die Vorentscheidung nicht auf das angefochtene Endurteil ausgewirkt, überprüft das Berufungsgericht sie nicht.
Rn 4
Unerheblich ist, in welchem Zeitpunkt das erstinstanzliche Gericht die Vorentscheidung getroffen hat. Das kann sowohl im Laufe des Verfahrens als auch erst in dem Endurteil geschehen sein. Auf spätere Entscheidungen (§§ 319–321) ist die Vorschrift nicht anwendbar.
Rn 5
Einer besonderen Rüge des Berufungsführers bedarf es nur, wenn die Vorentscheidung auf Verfahrensmängel überprüft werden soll, die nicht vAw zu berücksichtigen sind (§ 529 II).
C. Nicht überprüfbare Vorentscheidungen.
Rn 6
Die vom Gesetz für unanfechtbar erklärten Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgehen, können auch nicht im Berufungsverfahren überprüft werden; das Berufungsgericht ist an sie gebunden. Dazu gehören zB der Beschl, durch den die Ablehnung eines Richters für begründet erklärt wurde (§ 46 II Alt 1), die Zurückweisung des Antrags auf öffentliche Beglaubigung einer Prozessvollmacht (§ 80 II 2), die Untersagung des weiteren Vortrags ungeeigneter Prozessvertreter (§ 157 II 2), der Beschl, durch den ein Fristverlängerungsantrag zurückgewiesen wurde (§ 225 III), die Entscheidung, dass eine Klageänderung nicht vorlag oder die Änderung zuzulassen war (§ 268), die unterlassene Vorlage des Rechtsstreits an die Zivilkammer durch den Einzelrichter und unterlassene Übernahme durch die Zivilkammer (§ 348 IV) sowie die unterlassene oder erfolgte Übertragung auf den Einzelrichter durch die Zivilkammer (§ 348a III) und der Beschl, durch den die Ablehnung eines Sachverständigen für begründet erklärt wurde.
Rn 7
Auch an die vom Gesetz für mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar erklärten Vorentscheidungen ist das Berufungsgericht gebunden, wenn sie nicht angefochten worden sind; im Fall der Anfechtung besteht die Bindung so lange, wie die Entscheidung Bestand hat. Den Kreis der selbstständig anfechtbaren Vorentscheidungen legt § 567 Abs 1 fest: Entweder bestimmt das Gesetz die Statthaftigkeit des Rechtsmittels, oder es handelt sich um solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Eine Ausnahme von der Bindung besteht dann, wenn die mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Entscheidung nicht gesondert, sondern erst in dem erstinstanzlichen Endurteil getroffen worden ist; in diesem Fall unterliegt sie der Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts.
Rn 8
Die selbstständig mit der Berufung anfechtbaren Zwischenurteile (s dazu § 511 Rn 4 f) sind nur in diesem Rechtsmittelverfahren, nicht dagegen in dem Berufungsverfahren überprüfbar, das aufgrund der Anfechtung des Endurteils stattfindet.