Rn 7

Der Verzicht kann sowohl vor als auch nach dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils und auch noch nach der Einlegung der Berufung erklärt werden. Wem ggü die Erklärung abzugeben ist und welche Rechtswirkungen sie entfaltet, hängt davon ab, in welchem Verfahrensstadium sie abgegeben wird.

1. Verzicht vor Urteilserlass.

a) Allgemeines.

 

Rn 8

Die Zulässigkeit eines solchen Verzichts ergibt sich nunmehr unmittelbar aus dem Gesetz; die frühere Beschränkung auf den nach dem Erlass des Urteils erklärten Verzicht ist entfallen. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist, dass sich der Verzicht eindeutig und klar auf ein bestimmtes Prozessrechtsverhältnis bezieht.

b) Adressat.

 

Rn 9

Der einseitige Verzicht kann ggü dem erstinstanzlichen Gericht erklärt werden, freilich erst nach der Anhängigkeit des Rechtsstreits. Die Erklärung ist Prozesshandlung (Rn 5); ihre Abgabe unterliegt deshalb dem Anwaltszwang nach § 78. Die von der Partei erteilte Prozessvollmacht umfasst die Befugnis des Rechtsanwalts zur Erklärung des Verzichts; ein Ausschluss dieser Befugnis bleibt im Anwaltsprozess im Außenverhältnis wirkungslos (§ 83 I). Fehlt jedoch eine wirksame Prozessvollmacht, ist der von dem Rechtsanwalt erklärte Verzicht unwirksam. Die Verzichtserklärung kann in einem Schriftsatz enthalten sein oder in der mündlichen Verhandlung abgegeben werden, nach § 229 auch ggü dem ersuchten oder beauftragten Richter (dort aber nach § 78 V ohne Anwaltszwang).

 

Rn 10

Daneben kann der einseitige Verzicht auch ggü dem Prozessgegner erklärt werden, allerdings ebenfalls erst nach der Anhängigkeit des Rechtsstreits. Diese Erklärung ist ebenfalls eine Prozesshandlung (Rn 5). Sie unterliegt allerdings nicht denselben formellen Anforderungen wie die ggü dem Gericht abgegebene Erklärung (Rn 9), kann deshalb außerhalb der mündlichen Verhandlung, formlos und im Anwaltsprozess von der Partei selbst abgegeben werden. Selbstverständlich führt auch die Einhaltung derselben Form wie bei der Erklärung des Verzichts ggü dem Gericht zur Wirksamkeit.

 

Rn 11

Schließlich kommt auch die Vereinbarung zwischen den Prozessparteien in Betracht, den Berufungsverzicht zu erklären. Dabei handelt es sich um einen zivilrechtlichen Vertrag, auf dessen Zustandekommen die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts (§§ 145 ff BGB) anzuwenden sind.

c) Rechtsfolgen.

 

Rn 12

Haben sämtliche Prozessparteien den Verzicht ggü dem Gericht erklärt (Rn 9), wird das später ergehende Urt mit seinem Erlass, also vor dem Ablauf der Berufungsfrist (§ 517), rechtskräftig; eine gleichwohl eingelegte Berufung ist vAw als unzulässig zu verwerfen. Nach der Verzichtserklärung nur einer Partei tritt die Rechtskraft des Urteils erst mit dem Ablauf der Berufungsfrist ein; eine trotz des Verzichts innerhalb der Berufungsfrist von dem Verzichtenden eingelegte Berufung ist ebenfalls vAw als unzulässig zu verwerfen.

 

Rn 13

Wenn der Verzicht ggü dem Prozessgegner erklärt wurde (Rn 10), berührt das den Eintritt der Rechtskraft des Urteils nicht. Eine trotz des Verzichts rechtzeitig eingelegte Berufung ist unzulässig; sie wird jedoch nicht vAw, sondern nur auf Einrede des Gegners als unzulässig verworfen (BGH NJW-RR 97, 1288 [BGH 14.05.1997 - XII ZR 184/96]). Dasselbe gilt in dem Fall des vertraglich vereinbarten Berufungsverzichts (Rn 11).

2. Verzicht nach Urteilserlass.

a) Allgemeines.

 

Rn 14

Auch die Zulässigkeit dieses Verzichts ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.

b) Adressat.

 

Rn 15

Der einseitige Verzicht kann ggü dem erstinstanzlichen Gericht im Anschluss an die Verkündung des Urteils erklärt werden, und zwar in einem Schriftsatz oder mündlich in dem Termin zur Verkündung einer Entscheidung. Eine Protokollierung der Verzichtserklärung (§§ 160, 162) ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung (BGH NJW-RR 07, 1451f [BGH 04.07.2007 - XII ZB 14/07]). Da die Erklärung Prozesshandlung (Rn 5) ist, gelten für ihre Wirksamkeit die Ausführungen zum Anwaltszwang in Rn 9.

 

Rn 16

Auch ggü dem Berufungsgericht kann der Verzicht erklärt werden, allerdings erst im Berufungsverfahren. Für die Wirksamkeit dieser Erklärung gelten die Ausführungen in Rn 9.

 

Rn 17

Wie vor dem Urteilserlass kann auch danach der Verzicht ggü dem Prozessgegner und durch vertragliche Vereinbarung mit diesem erklärt werden. Hierfür gelten die Ausführungen in Rn 10, 11.

 

Rn 18

Eine Besonderheit ergibt sich aus § 566 I 2 iVm 3: Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision durch Einreichung einer Zulassungsschrift bei dem Revisionsgericht und die Einwilligungserklärung des Prozessgegners gelten als Verzicht auf die Berufung.

c) Rechtsfolgen.

 

Rn 19

Die Rechtsfolgen sind dieselben wie bei dem Verzicht vor dem Urteilserlass. Deshalb gelten hierfür die Ausführungen in Rn 12, 13. Für den dort nicht angesprochenen Fall des § 566 I 2 (Rn 18) gilt: Erst mit der Einreichung des Zulassungsantrags bei dem Revisionsgericht wird eine vorher eingelegte Berufung unzulässig; sie ist vAw zu verwerfen.

3. Verzicht nach Berufungseinlegung.

 

Rn 20

Dieser Verzicht kann ggü dem Berufungsgericht vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung des Berufungsgegners einseitig von dem Verzichtenden, danach nur mit Einwilligung des Gegners erklärt werden (BGHZ 124, 305). Die vertragliche Vereinba...

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