1. Rechtsmittelverlust.
Rn 8
Die Zurücknahme der Berufung führt, anders als der Verzicht (§ 515), lediglich zum Verlust des eingelegten Rechtsmittels (Abs 3 Alt 1) und nicht zum endgültigen Ausschluss. Innerhalb laufender Berufungsfrist (§ 517) oder nach Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233) gegen die Versäumung der Berufungsfrist kann demnach trotz der Zurücknahme erneut Berufung eingelegt werden. Ist die Berufungsfrist für beide Parteien abgelaufen und hat der Berufungsbeklagte kein Rechtsmittel eingelegt, hat die Berufungsrücknahme die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils ab dem Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit, also der Entgegennahme der Zurücknahmeerklärung durch das Berufungsgericht (Rn 4 f), zur Folge.
Rn 9
Bei mehrfacher Berufungseinlegung, die nur ein einziges Rechtsmittel und damit ein Berufungsverfahren zur Folge hat (BGH NJW 07, 3640, 3641), bewirkt die ohne Einschränkung erklärte Zurücknahme den Verlust des Rechtsmittels insgesamt und nicht nur die Wirkungslosigkeit der Einlegung desjenigen, der die Zurücknahme erklärt hat (BGH NJW 07, 3640, 3642 [BGH 30.05.2007 - XII ZB 82/06]).
Rn 10
Die Rücknahmeerklärung eines (einfachen oder notwendigen) Streitgenossen hat nur den Verlust seiner eigenen Berufung zur Folge. Rechtsmittel der anderen Streitgenossen, die von diesen fristgemäß eingelegt werden oder worden sind, bleiben unberührt. Haben die anderen Streitgenossen keine Berufung eingelegt, führt die Zurücknahme durch einen von ihnen nicht zum Verlust ihres Rechtsmittels. Ist für sie die Rechtsmittelfrist abgelaufen, wird das Berufungsverfahren durch Rücknahme beendet (BGH, Beschl v 16.12.10, Xa ZR 110/08). Die Erklärung, eine ggü mehreren notwendigen Streitgenossen wirksam eingelegte Berufung werde ggü einzelnen dieser Streitgenossen zurückgenommen und im Hinblick auf die übrigen fortgeführt, ist im Zweifel dahin auszulegen, dass die Berufung gegen alle Streitgenossen fortgeführt werden soll (BGH MDR 21, 1480, 1481).
Rn 11
Die von dem Streithelfer (§ 66) eingelegte Berufung, die Rechtsmittel der unterstützten Partei ist (§ 511 Rn 55), kann von ihm zurückgenommen werden, solange die Partei selbst sich nicht an dem Berufungsverfahren beteiligt; sie kann auch von der Partei zurückgenommen werden. In beiden Fällen hat die Zurücknahme den Verlust der Berufung der unterstützten Partei zur Folge.
Rn 11a
Ergeht trotz wirksamer Rechtsmittelrücknahme gleichwohl ein Urteil, ist dieses zwar wirkungslos, kann aber mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das gegen ein wirksames Urteil gleichen Inhalts gegeben wäre (BGH WM 21, 457, 458).
2. Kostenpflicht.
Rn 12
Der das Rechtsmittel zurücknehmende Berufungskläger (§ 511 Rn 53 ff) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen; dazu gehören auch die notwendigen Auslagen des Berufungsbeklagten. Eine andere Kostenverteilung gilt, wenn die Parteien des Berufungsverfahrens eine abweichende Regelung über die Pflicht zur Kostentragung nach der Zurücknahme der Berufung getroffen haben. Die Kosten werden nach § 92 aufgeteilt, wenn Berufungskläger und Berufungsbeklagter ihre Rechtsmittel zurücknehmen oder die Berufung nur tw zurückgenommen wird. Haben beide Parteien Berufung eingelegt und nimmt nur eine sie zurück, sind die Kosten ebenfalls nach § 92 aufzuteilen.
Rn 13
Die Kosten einer zulässig erhobenen Anschlussberufung des Berufungsbeklagten (§ 524) hat der die Berufung zurücknehmende Berufungskläger zu tragen, wenn sie nach § 524 Abs 4 ihre Wirkung durch die Zurücknahme verliert (BGH NJW-RR 07, 786 [BGH 07.02.2007 - XII ZB 175/06]). Eine Aufteilung der Kosten nach § 92 ist dagegen vorzunehmen, wenn der Beklagte sein Rechtsmittel trotz der Zurücknahme der Berufung selbstständig weiterführt, wenn er in die Zurücknahme der Berufung eingewilligt hat oder seine Anschlussberufung unzulässig ist (BGH aaO). Dasselbe gilt, wenn der Beklagte die Anschlussberufung zurücknimmt.
3. Entscheidung des Berufungsgerichts.
Rn 14
Obwohl sich die Rechtsfolgen der Zurücknahme der Berufung aus dem Gesetz ergeben (Abs 3 S 1), ordnet dieses an, dass das Berufungsgericht sie vAw durch Beschl auszusprechen hat. Dieser hat somit rein deklaratorische Bedeutung, ist jedoch Voraussetzung für die Kostenfestsetzung (§ 103 I). Er ist – regelmäßig ohne mündliche Verhandlung (§ 128 IV) – unmittelbar nach dem Wirksamwerden der Rücknahmeerklärung (Rn 3) zu erlassen. Zuständig hierfür ist das Berufungsgericht, auch wenn das Rechtsmittel fälschlich bei dem erstinstanzlichen Gericht eingelegt und dort zurückgenommen wurde (Köln JurBüro 08, 438). Für eine bei dem Berufungsgericht eingelegte und vor Abgabe der Sache an den BGH zurückgenommene nicht statthafte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gilt für die zu treffende Kostenentscheidung Entsprechendes (vgl BGH NJW-RR 22, 648 [BGH 15.03.2022 - X ZR 16/22]).
Rn 15
Ist zwischen den Parteien streitig, ob der Berufungskläger wirksam die Zurücknahme der Berufung erklärt hat, und bejaht das Berufungsgericht die Zurücknahme, hat es ebenfalls den Beschl nach Abs 3 S 2 zu erlassen (BGH NJW 95, 2229).
Rn 16
Erklärt nur einer von mehr...