1. Offensichtliche Erfolglosigkeit der Berufung (Nr 1).
Rn 25
Die – zulässige – Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, wenn sie nach dem Inhalt der gewechselten Schriftsätze (Berufungsbegründung, Berufungserwiderung, Replik) unbegründet und nicht zu erwarten ist, dass ihr durch weiteren Vortrag des Berufungsklägers und/oder durch Erörterungen in der mündlichen Verhandlung Erfolg beschert werden kann. Das erstinstanzliche Urt muss sich wenigstens im Ergebnis als zutr erweisen.
Rn 26
Im Gegensatz zu der früheren Regelung muss die Erfolglosigkeit der Berufung nunmehr offensichtlich sein. Wann das der Fall ist, ist unklar. Nach der Rspr des BVerfG soll ›offensichtlich‹ bedeuten, dass die fehlende Erfolgsaussicht besonders deutlich ins Auge springt (BVerfG NJW 03, 281 [BVerfG 05.08.2002 - 2 BvR 1108/02]). Nach der Gesetzesbegründung muss die Erfolglosigkeit nicht auf der Hand liegen, sondern soll das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (BTDrs 17/6406, 9). Da es – gerade auch aus der maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts – eine mehr oder weniger fehlende Aussicht auf Erfolg nicht gibt, ist davon auszugehen, dass mit der Neuregelung keine qualitative Änderung des Prüfungsumfangs und der Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts beabsichtigt ist. Eine bloß summarische Prüfung der Erfolgsaussicht reicht also keineswegs aus; vielmehr gelten insoweit dieselben Anforderungen wie für eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urt (Kobl NJW 03, 2100, 2101).
Rn 27
Macht der Berufungskläger eine Rechtsverletzung durch das erstinstanzliche Gericht geltend (§ 520 III Nr 2), hat die Berufung dann offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, wenn das Berufungsgericht die Rechtsansichten des Vordergerichts für zutr oder zwar für falsch hält, aber aus anderen Gründen auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu demselben Ergebnis gelangt (Frankf NJW 04, 165, 167 [OLG Frankfurt am Main 05.10.2003 - 16 U 116/03]; Hambg NJW 06, 71).
Rn 28
Greift der Berufungskläger die Tatsachenfeststellung des erstinstanzlichen Gerichts an (§ 520 III Nr 3), fehlt dem Rechtsmittel die Erfolgsaussicht nicht, wenn das Vorbringen auch nur Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Feststellungen erweckt; ob sie begründet sind, darf das Berufungsgericht in diesem Verfahrensstadium nicht klären.
Rn 29
Trägt der Berufungskläger neue Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 520 Rn 45 ff) vor und sind diese zuzulassen (§§ 529 I Nr 2, II, 531 II), fehlt der Berufung nur dann offensichtlich die Erfolgsaussicht, wenn sie zu keiner anderen Entscheidung als der angegriffenen führen (BGH FamRZ 16, 2010).
Rn 30
Wurde dem Berufungskläger Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren bewilligt, scheidet idR die Annahme der – erst recht offensichtlichen – Erfolglosigkeit des Rechtsmittels aus; denn nach § 114 darf Prozesskostenhilfe nur bei hinreichender Aussicht auf Erfolg der Rechtsverteidigung bewilligt werden (BTDrs 14/4722, 97).
2. Keine grundsätzliche Bedeutung (Nr 2).
Rn 31
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schließt die Zurückweisung der Berufung durch Beschl aus. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen erfordert das öffentliche, also das über die Interessen der Parteien hinausgehende Interesse die Klärung rechtsgrundsätzlicher Fragen in einem Verfahren mit mündlicher Verhandlung, an der jedermann teilnehmen kann. Zum anderen ist das Berufungsgericht nach § 543 II 1 Nr 1 verpflichtet, durch die Zulassung der Revision in seinem Urt die Beantwortung solcher Fragen letztlich dem Revisionsgericht zu überlassen.
Rn 32
Zu den Voraussetzungen für eine grundsätzliche Bedeutung der Sache wird auf die Erläuterungen in § 511 Rn 45 f verwiesen; zu beachten ist allerdings, dass es hier auf die Sichtweise des Berufungsgerichts ankommt. Denn die Zulassung der Berufung wegen Grundsatzbedeutung durch das erstinstanzliche Gericht bindet das Berufungsgericht nur hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels (§ 511 IV 2) und hindert nicht eine abweichende Beurteilung des Vorliegens der grundsätzlichen Bedeutung (BTDrs 14/4722, 97).
3. Keine Notwendigkeit der Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (Nr 3).
Rn 33
Die Zurückweisung der Berufung durch Beschl ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rspr eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Wann das der Fall ist, beurteilt sich nach denselben Grundsätzen, die der Zulassungsentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts nach § 511 IV Nr 1 zu Grunde liegen. Insoweit wird auf die Erläuterungen in § 511 Rn 47 ff verwiesen. Im Übrigen gilt das in Rn 31 f Gesagte hier entsprechend.
4. Keine Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung (Nr 4).
Rn 34
Die Neufassung übernimmt inhaltlich die Regelung in § 130a VwGO. Obwohl das hier – anders als dort – im Gesetzestext nicht zum Ausdruck kommt, ist die Sichtweise des Berufungsgerichts maßgeblich dafür, ob eine mdl Verh nicht geboten ist. Das ist zB der Fall, wenn der Sachverhalt – auch unter Berücksichtigung neuer zulässiger Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 531 II) – zwischen den Parteien unstr ist, wenn bei streitigem Sachverhalt eine Beweiswürdigung ausschließlich aufgrund der Aktenlage erfolgen kann, wenn das Berufungsgericht...