1. Kollegialentscheidung (S 1).
Rn 35
Die Zurückweisung darf nur durch einen Beschl des Berufungsgerichts, also des gesamten Spruchkörpers, erfolgen; der entscheidende und der vorbereitende Einzelrichter (§§ 526, 527) sind für die Zurückweisung nicht zuständig (§ 523 I 1). Die Entscheidung für die Zurückweisung muss einstimmig gefallen sein.
2. Hinweispflicht (S 2).
Rn 36
Zur Wahrung des Anspruchs der Parteien, insb des Berufungsklägers, auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 I GG) müssen sie auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung durch Beschl hingewiesen werden. Dies kann durch den Vorsitzenden oder das Berufungsgericht, also den gesamten Spruchkörper, erfolgen. Selbstverständlich kann der Vorsitzende den Hinweis nicht erteilen, bevor die einstimmige vorläufige Entscheidung des gesamten Kollegialgerichts (Rn 35) gefallen ist.
Rn 37
Der Hinweis ist schriftlich zu erteilen und muss sämtliche Gründe für die Ansicht des Berufungsgerichts aufzeigen, dass das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (Rn 25 ff) hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (Rn 31 f) hat und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rspr (Rn 33) nicht erforderlich ist. Der Berufungskläger muss durch den Hinweis in die Lage versetzt werden, sein Vorbringen – soweit zulässig – zu ergänzen, um eine andere Beurteilung der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels durch das Berufungsgericht zu erreichen. Dafür kann ein bloßer Verweis des Berufungsgerichts auf die nach seiner Ansicht zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils ausreichen. Stützt das Berufungsgericht in dem Hinweis seine Rechtsauffassung auf einen Gesichtspunkt, den der Berufungskläger erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, muss diesem Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden; die hierdurch veranlassten neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel dürfen nicht zurückgewiesen werden (BGH NZBau 14, 779 [BGH 01.10.2014 - VII ZR 28/13]).
Rn 38
Der Hinweis darf die weitere Sachaufklärung nicht zum Ziel haben. Denn wenn und solange das Berufungsgericht einzelne entscheidungserhebliche Punkte für klärungsbedürftig und klärungsfähig hält, kann es die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels nicht verneinen und darf den Rechtsstreit nicht ohne mdl Verh entscheiden.
3. Stellungnahmefrist (S 2).
Rn 39
Zusammen mit dem Hinweis ist dem Berufungskläger die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb einer gesetzten Frist, die auf Antrag bei Vorliegen erheblicher Gründe verlängert werden kann (§ 224 II), zu geben. Bis zum Ablauf der Frist eingehender Tatsachenvortrag ist Grundlage der endgültigen Entscheidung des Berufungsgerichts und bestimmt damit auch den Umfang der Rechtskraft der Entscheidung (BGH NJW-RR 11, 1528, 1529 [BGH 28.07.2011 - VII ZR 180/10]). Geht die Stellungnahme nach Fristablauf, aber vor dem Erlass des Zurückweisungsbeschlusses bei dem Berufungsgericht ein, ist sie bei der Beschlussfassung ebenfalls zu berücksichtigen.
Rn 40
Eine bestimmte Dauer der Frist schreibt das Gesetz nicht vor. Sie liegt im Ermessen des Vorsitzenden bzw des Spruchkörpers und muss so bemessen sein, dass der Berufungskläger auf die dargelegten Gründe für die beabsichtigte Zurückweisung des Rechtsmittels im Einzelnen eingehen kann, um sie zu entkräften. Die für die Berufungserwiderung und die Replik des Berufungsklägers geltende Frist von zwei Wochen (§ 521 II 2 iVm § 277 III, IV) sollte nicht unterschritten werden. Das Setzen einer längeren Frist erscheint angesichts der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist (§ 520 II 1) und der zweiwöchigen Replikfrist nicht notwendig; anderenfalls würde das gesetzgeberische Ziel der Beschleunigung des Verfahrens (Rn 22) verfehlt.
4. Beschlussfassung (S 3).
Rn 41
Nach dem Eingang der Stellungnahme des Berufungsklägers bzw nach Fristablauf ohne Eingang einer Stellungnahme hat das Berufungsgericht (gesamter Spruchkörper, Rn 35) erneut darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung (Rn 25 ff) weiterhin vorliegen. Bejaht es dies einstimmig, soll es die Berufung durch Beschl zurückweisen. Eine Änderung der Zusammensetzung des Spruchkörpers durch Richterwechsel zwischen der Erteilung des Hinweises und der endgültigen Beschlussfassung ist unbeachtlich.
Rn 42
Der Zurückweisungsbeschluss ist zu begründen, soweit die Begründung nicht bereits in dem Hinweis nach S 2 enthalten ist. Daraus folgt, dass sich die Begründung nur mit den Argumenten des Berufungsklägers auseinandersetzen muss, die er in seiner Stellungnahme auf den Hinweis vorgebracht hat; iÜ genügt die Bezugnahme auf die Begründung in dem Hinweis. Ist der Beschluss anfechtbar, gelten für die Begründung die gleichen Inhaltsanforderungen wie bei einem Berufungsurteil (BGH WM 18, 1511; NJW-RR 23, 208, 209).
Rn 43
Liegen die Voraussetzungen für die Zurückweisung der Berufung durch Beschl nur in Bezug auf einen Teil des Rechtsstreits vor, der Gegenstand einer beschränkten Zulassung der Berufung durch das erstinstanzliche Gericht sein kann (§ 511 Rn 43), soll das Berufungsgericht insoweit das Rechtsmittel durch...