Rn 3
Der Gegenstand des Berufungsverfahrens wird durch die Anträge der Parteien bestimmt (§ 520 III 2 Nr 1). Auch Hilfsanträge sind grds innerhalb der Frist für die Berufungsbegründung zu stellen. Später gestellte Anträge sind nach §§ 530, 296 zu berücksichtigen, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert (BGH GRUR 22, 1049). Fehlt es an einem ausdrücklich formulierten Antrag, können sich Umfang und Ziel der Anfechtung aus dem sonstigen Inhalt des Begründungsschriftsatzes ergeben (BGH FamRZ 15, 247; MDR 11, 933; § 520 Rn 21 ff). In allen Fällen kann sich das Berufungsbegehr auf die angefochtene Entscheidung beschränken oder darüber hinausgehen.
I. Angefochtene Entscheidung.
Rn 4
Zum Gegenstand des Berufungsverfahrens wird der erstinstanzliche Streitgegenstand, soweit durch das angefochtene Urt über ihn entschieden und er durch die Berufung oder die Anschlussberufung angefochten ist. Der Anfechtung insoweit unterfallen auch die dem Urt vorausgegangenen Entscheidungen (§ 512). Richtet sich die Berufung gegen eine im Anhörungsrügeverfahren ergangene Entscheidung des unteren Gerichts, so ist dieses Verfahren fortzuführen, darauf zu überprüfen, ob die Anhörungsrüge statthaft, zulässig und begründet war (BGH WM 16, 2147).
Rn 5
Streitgegenstand erster Instanz sind die vom Kl durch die Anträge geltend gemachten und zur Entscheidung des Gerichts gestellten prozessualen Ansprüche. Sie bestimmen sich nach den begehrten Rechtsfolgen, nicht nach den zur Begründung vorgetragenen tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen (Angriffs- und Verteidigungsmittel).
Rn 6
Im angefochtenen Urt entschieden wurde über diese Streitgegenstände, wenn ihnen in der Urteilsformel stattgegeben oder die Klage insoweit abgewiesen wurde. Wurde erstinstanzlich nur über einen Teil der dortigen Streitgegenstände entschieden (Teilurteil, § 301), können nur diese mit der Berufung angegriffen werden (BGHZ 30, 213, 216). Vom Erstgericht (zB durch Teil- oder Vorbehaltsurteil) bewusst nicht beschiedene Ansprüche führen zu einer Fortsetzung des erstinstanzlichen Verfahrens und einer weiteren, eigenständig anzufechtenden Endentscheidung (zur Einbeziehung in das Berufungsverfahren ohne vorherige erstinstanzliche Entscheidung Rn 8). Versehentlich nicht entschiedene erstinstanzliche Streitgegenstände können durch eine Urteilsergänzung (§ 321) in die Entscheidung einbezogen werden. Geschieht dies mangels Antrag nicht, erlischt die Rechtshängigkeit, die entsprechenden Streitgegenstände können in 2. Instanz nur noch als neue geltend gemacht werden. Dies gilt auch für Ansprüche, deren Rechtshängigkeit vor der Entscheidung 1. Instanz anderweitig endete (BGH NJW 91, 1684 [BGH 29.11.1990 - I ZR 45/89]). Ist eine Entscheidung bewusst unterblieben, weil das erstinstanzliche Gericht irrtümlich davon ausging, eine Entscheidung sei (zB wegen Erledigung oder Rücknahme) nicht mehr erforderlich, muss sich die Berufung hierauf erstrecken können (MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 8). Spricht ein erstinstanzliches Urteil dem Kläger mehr zu als beantragt, wird der Verstoß gg § 308 Abs 1 S 1 geheilt, wenn der Kläger durch einen uneingeschränkten Antrag auf Zurückweisung der Berufung seine Klage im Berufungsrechtszug sinngemäß erweitert und so dem Umfang der erstinstanzlichen Verurteilung anpasst (Rostock MDR 20, 691).
Rn 7
Der Umfang der Anfechtung bestimmt sich nach den in der Berufung gestellten (§§ 520 III 2 Z 1, 525, 297) Anträgen. Diese können die in der Entscheidung liegende Beschwer ausschöpfen oder sich auf einen Teil davon beschränken. Zur Beschränkung und Erweiterung der Anträge während der Berufungsinstanz § 520 Rn 25, 28.
II. Erweiterung des Streitgegenstands.
1. Nicht entschiedene erstinstanzliche Streitgegenstände.
Rn 8
In einem Berufungsverfahren gegen ein Teilurteil sind die erstinstanzlich nicht entschiedenen Streitgegenstände nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens (Rn 6). Etwas anders muss ausnahmsweise gelten, wenn die Berufungsentscheidung rechtlich zwingend auf den noch nicht entschiedenen Teil wirkt (arg § 538 II Nr 3–5; BGHZ 30, 213, 215; 94, 268, 275; Celle NJW-RR 95, 1021). Verweist das Berufungsgericht auf ein unzulässiges Teilurteil nicht an die 1. Instanz zurück (§ 538 I Nr 7), muss es auch den noch erstinstanzlich anhängigen Teil mitentscheiden (BGH NJW 01, 78 [BGH 13.10.2000 - V ZR 356/99]; 78, 1430 [BGH 19.04.1978 - VIII ZR 39/77]; Saarbr OLGR 98, 303; Ddorf NJW-RR 97, 659 [OLG Düsseldorf 11.10.1996 - 22 U 66/96]; Schumann/Kramer Rz 434; MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 11). Wird ein das Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil verletzendes Teilurteil nur teilweise angefochten, steht einer auf diesen Verfahrensfehler gestützten Aufhebung des gesamten Teilurteils das Verbot der reformatio in peius entgegen (BGH NJW 13, 1009 [BGH 30.11.2012 - V ZR 245/11]). Ist nur die Entscheidung über die erste Stufe einer Stufenklage angefochten, kann das Berufungsgericht die Klage insgesamt abweisen, wenn es sie in vollem Umfang für unbegründet hält (BGH NJW 85, 2405, 2407 [BGH 08.05.1985 - IVa ZR 138/83]; Frankf OLGR 06, 79; Celle NJW-RR 95, 1021 [OLG Celle 23...