Prof. Dr. Markus Gehrlein
Rn 3
Die Regelung des Abs 2 S 1 und 2 hat den Einzelfall im Blick, in dem die Gefahr besteht, dass eine Person, für die ein Betreuer bestellt ist, trotz fortbestehender Geschäfts- und Prozessfähigkeit in einem Rechtsstreit krankheitsbedingt Prozesshandlungen vornimmt, die den eigenen Interessen zuwiderlaufen und einen erheblichen Schaden zu verursachen drohen. Für einen solchen Ausnahmefall erhält der Betreuer die Handhabe, den Rechtsstreit an sich zu ziehen und den Betreuten zu seinem Schutz von der weiteren Prozessführung auszuschließen. Abs 2 S 1 sieht daher vor, dass ein Betreuer, der einen Betreuten in einem Rechtsstreit vertritt, in jeder Lage des Verfahrens ggü dem Prozessgericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären kann, dass der Rechtsstreit ausschließlich durch ihn geführt wird (Ausschließlichkeitserklärung). Eine Ausschließlichkeitserklärung kann daher nur abgegeben werden, wenn der Gegenstand des Prozesses in den Aufgabenkreis des Betreuers fällt und er den Betreuten daher wirksam vertreten kann. Mit Eingang einer Ausschließlichkeitserklärung steht der Betreute für den weiteren Rechtsstreit qua Gesetz einer nicht prozessfähigen Person gleich (BTDrs 19/27287, S 28).
I. Ausschließlichkeitserklärung.
Rn 4
Die Prozessfähigkeit des Betreuten ist keine Voraussetzung für die Abgabe einer Ausschließlichkeitserklärung. Diese kann auch für einen nach den allgemeinen Vorschriften nicht prozessfähigen Betreuten abgegeben werden. Ob die Abgabe einer Ausschließlichkeitserklärung erforderlich ist, bestimmt sich nach dem Innenverhältnis zwischen Betreuer und Betreutem, insb nach § 1821 BGB, und muss nicht im Verfahrensrecht geregelt werden. Für die Beurteilung, ob eine durch die Prozessführung drohende Gefährdung erheblich ist, dürfte allerdings der konkrete Prozessgegenstand als Maßstab zu berücksichtigen sein. Eine Ausschließlichkeitserklärung ist prozessual auch dann wirksam, wenn sie betreuungsrechtlich im Innenverhältnis eine Pflichtverletzung des Betreuers darstellen sollte. Sollte der Betreute mit der Abgabe der Ausschließlichkeitserklärung durch den Betreuer nicht einverstanden sein, kann er sich an das Betreuungsgericht wenden, das dann iR seiner Aufsichtspflicht tätig werden kann, s § 1862 BGB (BTDrs 19/27287, S 28).
II. Abgabe der Ausschließlichkeitserklärung.
Rn 5
Die Ausschließlichkeitserklärung ist ggü dem Prozessgericht abzugeben, da sie lediglich prozessuale Folgen für diesen einen Prozess hat. Die Erklärung soll auch zu Protokoll der Geschäftsstelle möglich sein, damit Betreuer sie auch bei Anwaltsprozessen selbst abgeben können, § 78 Abs 3. Die Ausschließlichkeitserklärung wirkt für die Zukunft. Die Wirksamkeit bereits zuvor von einem prozessfähigen Betreuten abgegebenen Prozesserklärungen bleibt unberührt. Zur Sicherung eines ordnungsgemäßen Prozessablaufs ist ein nachträglicher Widerruf derartiger Erklärungen ausgeschlossen. Eine Ausschließlichkeitserklärung kann in jeder Lage des Verfahrens abgegeben werden, insb auch dann, wenn eine zuvor abgegebene Ausschließlichkeitserklärung zurückgenommen worden ist (BTDrs 19/27287, S 28).
III. Rücknahme der Ausschließlichkeitserklärung.
Rn 6
Aus dem Ultima-Ratio-Charakter dieser Möglichkeit folgt, dass die Ausschließlichkeitserklärung zurückzunehmen ist, wenn die Gefährdungssituation, die zu ihrer Abgabe geführt hat, nicht mehr besteht. Insb bei schubweise auftretenden psychischen Krankheiten wechseln sich Phasen erheblicher krankheitsbedingter Selbstgefährdung und Phasen, in denen ein selbstverantwortliches Handeln möglich ist, ab. Für die Rücknahme gelten dieselben Regeln wie für die Abgabe der Ausschließlichkeitserklärung. Ab Eingang der Rücknahme richtet sich die Prozessfähigkeit des Betreuten wieder nach den allgemeinen Vorschriften, mithin nach Abs 1. Der prozessfähige Betreute kann daher dann wieder (ggf neben dem Betreuer) wirksame Prozesshandlungen vornehmen (BTDrs 19/27287, S 28 f).