I. Anwendungsbereich.
Rn 5
Eine Klageänderung iSd § 533 liegt vor, wenn der Streitgegenstand der Klage oder einer Widerklage (Gehrlein § 14 Rz 65) in 2. Instanz von dem 1. Instanz abweicht (BGH NJW 15, 2812 [BGH 07.05.2015 - VII ZR 145/12]). Keine Anwendung findet § 533 auf Klageänderungen, über die bereits die 1. Instanz entschieden hat (§ 268; BAG AP Newsletter 11, 18). Die Klageänderung ist in verschiedenen Arten denkbar. Sie kann allgemein im Austausch des bisherigen Streitgegenstands gegen einen neuen (Klagewechsel; Koblenz MietRB 16, 132) oder im Hinzutreten eines weiteren Streitgegenstands neben den verbleibenden (nachträgliche Klagehäufung) liegen, umfasst aber auch nachträgliche Änderungen des Umfangs der Klage (Klagebeschränkung, Klageerweiterung) oder Anpassungen der Klage an nachträglich veränderte Umstände, auch wenn diese nur hilfsweise erfolgen (BGH NJW 15, 1608; Saarbr VersR 14, 1194; München Urt v 23.7.07 – 21 U 2279/07). Eine Klageänderung stellt es auch dar, wenn der erstinstanzliche Hilfsantrag zum Hauptantrag gemacht wird (Köln Urt v 27.6.12 – 11 U 91/11). Nach den Regeln der Klageänderung wird von der hM auch eine Reihe anderer Fallkonstellationen behandelt. Keine Klageänderung liegt vor, wenn der in erster Instanz erfolgreiche Kläger mit einem erstmals im Berufungsrechtszug gestellten Hilfsantrag dasselbe Klageziel verfolgt wie mit dem erstinstanzlich erfolgreichen Hauptantrag (BGH WRP 15, 1367 [BGH 16.04.2015 - I ZR 69/11]; NJW 15, 1608 [BGH 22.01.2015 - I ZR 127/13]).
Rn 6
Der gewillkürte Parteiwechsel ist im Gesetz nicht geregelt. Während die Literatur in ihm ein Institut sui generis sieht, wendet die Rspr auf ihn die Vorschriften über die Klageänderung entsprechend an (BGH MDR 03, 1054 [BGH 07.05.2003 - XII ZB 191/02]; § 50 Rn 5). Er ist in der Berufung regelmäßig nicht möglich, weil die für die Zulässigkeit der Berufung erforderliche Beseitigung der Beschwer nur zwischen den ursprünglichen Parteien begehrt werden kann (zur entsprechenden Beschränkung bei der im Wege der Drittwiderklage erstrebten Parteierweiterung unten Rn 27 sowie München MDR 06, 1186). Eine Ausnahme kann in den Fällen der materiellen Rechtsnachfolge (Nürnbg MDR 16, 1112 [OLG Nürnberg 04.07.2016 - 14 U 612/15]; Kobl OLGR 09, 759) oder bei Fortsetzung eines von den Wohnungseigentümern begonnenen Prozesses durch die WEG-Gemeinschaft gelten (BGH MDR 15, 1057 [BGH 10.07.2015 - V ZR 169/14]). Dagegen ist ein Parteibeitritt in 2. Instanz an § 533 zu messen (BGH ZZP 102, 471; Kobl Urt v 27.2.13 – 5 U 76/13; Rostock MDR 05, 1011; LG Potsdam GE 12, 64).
Rn 7
Die Abstandsnahme vom Urkundenprozess ist in § 595 nur für die 1. Instanz geregelt. Eine entsprechende Erklärung in der Berufung wird von der hM als Klageänderung behandelt und damit von einer Einwilligung oder Sachdienlichkeit abhängig gemacht (BGH NJW-RR 22, 1433; NJW 20, 2407 m Anm Ulrici, 2370); BGH NJW 12, 2662; MDR 12, 1692; MDR 11, 936; BGHZ 29, 337; Celle IHR 15, 247). Die Sachdienlichkeit der Abstandsnahme vom Urkundenprozess im Berufungsverfahren kann allerdings nicht mit Ergebnissen des bereits in erster Instanz anhängigen Nachverfahrens verneint werdet werden (BGH NJW 20, 2407 [BGH 02.04.2020 - IX ZR 135/19]). Der Ausschluss der Möglichkeit neuen Vortrags zur geänderten Klage macht einen solchen Wechsel nach neuem Recht nahezu unmöglich (Celle MDR 06, 111; Zö/Greger § 596 Rz 4; für eine Zulässigkeit im Rahmen der Anschlussberufung Celle MDR 15, 671). Vertreten wird deswegen auch eine Zurückverweisung an die 1. Instanz analog § 538 II Nr 5 (Musielak/Voit/Ball § 596 Rz 7).
Rn 8
Durch Erweiterung des Klageantrags kann der Kl im Wege der Zwischenfeststellungsklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zT abhängt, festgestellt wird (§ 256 II). Ihre Zulässigkeit richtet sich allein nach §§ 525, 256 II, die als spezielle Regelungen den § 533 verdrängen (BGHZ 53, 92).
II. Zulässigkeitsvoraussetzungen.
1. Allgemeine.
Rn 9
Eine Klageänderung setzt stets voraus, dass der Kläger Berufung eingelegt hat oder noch zulässig Anschlussberufung einlegen kann (BGH MDR 22, 586 [BGH 03.02.2022 - III ZR 242/20]; 03, 1054 [BGH 07.05.2003 - XII ZB 191/02]; Köln MDR 05, 160 [OLG Köln 14.07.2004 - 13 U 204/03]; oben Rn 3). Daneben müssen die erstinstanzlich erforderlichen Voraussetzungen der Klageänderung vorliegen, soweit diese nicht von § 533 verdrängt werden (BGH MDR 06, 565; Stuttg VersR 07, 548). Hierzu gehört die Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts für den neuen Streitgegenstand, wäre er schon dort geltend gemacht worden (MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 10), wobei die rügelose Einlassung des Gegners (§ 39) genügen kann. Keiner Prüfung bedürfen die §§ 263, 267, die von § 533 verdrängt werden, dagegen sind die Privilegierungen der §§ 264–266 auch in zweiter Instanz anwendbar (Rn 13). Auch die besonderen Voraussetzungen der §§ 265, 266 behalten ihre Bedeutung in der Berufung (BGH NJW 01, 2253 [BGH 27.04.2001 - LwZR 6/00]). Erf...