I. Anwendungsbereich.
Rn 27
Unter § 533 fallen grds alle Arten von Widerklagen, dh neben der unbedingten Widerklage des Beklagten auch die Hilfswiderklage (BGH NJW 96, 2166 [BGH 06.03.1996 - VIII ZR 212/94]), die Wider-Widerklage des Klägers (soweit ein Unterschied zwischen Klageänderung und Widerklage in der Berufungsinstanz nach § 533 nicht ohnehin schon fehlt; BGH NJW-RR 96, 65 [BGH 13.09.1995 - XII ARZ 14/95]) und die Drittwiderklagen, unabhängig davon, ob sie von einem oder gegen einen Dritten erhoben werden (Frankf OLGR 06, 69; München MDR 06, 1186). Erfasst werden auch Widerklagen der berufungsbeklagten Partei iRe Anschlussberufung (KG MDR 23, 322). Nicht unter § 533 fällt die Zwischenfeststellungswiderklage (§ 256 II). Ihre Zulässigkeit richtet sich allein nach §§ 525, 256 II, die als spezielle Regelung den § 533 verdrängen (BGH MDR 08, 158 [BGH 25.10.2007 - VII ZR 27/06]; Brandbg Urt v 21.2.13 – 5 U 46/12). Dies gilt auch für die Sonderformen der Widerklage aus §§ 302 IV 4, 600 II, 717 II 2, II 2.
Rn 28
Neu ist eine Widerklage, wenn über sie in dem angefochtenen Urt nicht entschieden wurde. Neu ist damit eine Widerklage in der Berufungsinstanz nicht nur, wenn sie erstinstanzlich gar nicht rechtshängig war, sondern auch dann, wenn sie dort zurückgenommen, übereinstimmend für erledigt erklärt oder vom Gericht übergangen wurde. Keine Rolle spielt, ob die Widerklage zulässig oder hinreichend substantiiert (BGH LM § 529 aF Nr 32) war. Neu ist auch die Widerklage mit geänderten Anträgen (BGH NJW 98, 2058, 2059 [BGH 13.03.1998 - V ZR 190/97]; Musielak/Voit/Ball Rz 17).
II. Zulässigkeitsvoraussetzungen.
1. Allgemeine.
Rn 29
Als neuer Angriff setzt die Widerklage wie die Klageänderung zunächst eine zulässige (Anschluss-)Berufung voraus (oben Rn 9, 20). Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Widerklage § 33 Rn 4 ff.
Rn 30
Nicht mit der Widerklage geltend gemacht werden können Ansprüche, die anderweitig rechtshängig oder bereits rechtskräftig entschieden sind. Eine erstinstanzlich erhobene, aber übergangene Widerklage kann dort noch rechtshängig sein, eine erstinstanzlich mit Teilurteil beschiedene, mit der Berufung aber nicht angegriffene Widerklageentscheidung kann rechtskräftig sein. Wird die neue Widerklage nur hilfsweise erhoben, muss ihr eine zulässige innerprozessuale Bedingung zu Grunde gelegt sein.
2. Besondere.
a) Einwilligung oder Sachdienlichkeit.
Rn 31
Für diese gelten grds die Ausführungen Rn 11–12.
aa) Einwilligung.
Rn 32
Analog §§ 525, 267 kann die Einwilligung nach rügeloser Einlassung vermutet werden (BGH NJW-RR 05, 437 [BGH 06.12.2004 - II ZR 394/02]). Ihre Verweigerung darf nicht rechtsmissbräuchlich sein (Rn 22).
bb) Sachdienlichkeit.
Rn 33
Sachdienlich ist die Zulassung der Widerklage, wenn sie geeignet ist, den Streitstoff iRd anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und einen weiteren Prozess damit vermeidet (BGH NJW 07, 2415 [BGH 27.09.2006 - VIII ZR 19/04]; Hamm NJW-RR 08, 266 [OLG Saarbrücken 09.10.2007 - 4 U 80/07]). Dass die Widerklage schon in 1. Instanz hätte erhoben werden können, steht der Sachdienlichkeit nicht entgegen (BGH NJW-RR 90, 505, 506).
b) Sonstige prozessuale Erfordernisse.
Rn 34
Wird die Widerklage von der berufungsbeklagten Partei erhoben, stellt dies auch ohne Bezeichnung als solche (vgl § 524 Rn 11) eine Anschlussberufung dar, sodass die Frist des § 524 II 2 einzuhalten ist (KG MDR 23, 322). Weitere Anforderungen können sich für besondere Formen der Widerklage aus §§ 256 II, 302 IV 4, 600 II, 717 II 2, II 2 ergeben.
c) Tatsachengrundlage.
Rn 34a
Die Widerklage kann nur auf solche Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 529 ohnehin zugrunde zu legen hat, neben den vom erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen insb also auch auf dort für unerheblich gehaltene (BGH NJW-RR 12, 429 [BGH 13.01.2012 - V ZR 183/10]) und auf unstreitige Tatsachen (BGH NJW-RR 05, 437 [BGH 06.12.2004 - II ZR 394/02]). Insoweit kann auf Rn 14 verwiesen werden.
III. Entscheidung.
Rn 35
Wird die Berufung nach § 522 verworfen oder zurückgewiesen, verliert die Widerklage ihre Wirkung, eine Entscheidung über sie ergeht dann nicht (BGH WM 13, 2255; Frankf NJW 04, 165, 167 f).