Rn 3

Hat die Partei erstinstanzlich ihre Vernehmung, die Aussage oder den Eid verweigert oder ist ihre Säumnis als solche anzusehen (§ 454) – das Vorliegen dieser Voraussetzungen wird vom Berufungsgericht frei beurteilt – und ändert sie ihre Meinung für die 2. Instanz, so kommt ihre Vernehmung oder Beeidigung zum selben Beweisthema nur in Betracht, wenn (neben dem Vorliegen allgemeinen Voraussetzungen aus §§ 445 ff) das Berufungsgericht der Überzeugung ist, dass die Weigerung auf genügenden Gründen beruhte, die nunmehr weggefallen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vernehmung auf Antrag des Gegners (§ 445), auf eigenen Antrag (§ 447) vAw (§ 448) oder über den Verbleib einer Urkunde (§ 426 S 3) erfolgt. Hierzu ist erforderlich, dass die Partei dartut, warum die Weigerung erfolgte und welche Änderungen insoweit eingetreten sind. Erfolgte die Verweigerung ohne hinreichenden Grund oder besteht dieser Grund fort, kommt eine Vernehmung oder Beeidigung in 2. Instanz nicht in Betracht.

 

Rn 4

Genügende Gründe für die erstinstanzliche Weigerung können rechtlicher oder tatsächlicher, auch rein subjektiver Natur sein. So genügt es, dass die Partei aus Furcht vor einem Straf- bzw berufsrechtlichen Verfahren, zur Vermeidung außerhalb des Zivilprozesses liegender weiterer Nachteile oder zur Wahrung ihres nachvollziehbaren Ehrgefühls nicht aussagen wollte, dass Betriebsgeheimnisse gewahrt oder außerhalb des Beweisthemas liegende Umstände nicht offenbart werden sollen. Nicht ausreichend ist allein das Bemühen, den vorliegenden Rechtsstreit zu gewinnen.

 

Rn 5

Weggefallen ist der Grund, wenn er nicht mehr besteht. Unproblematisch ist dies für den Wegfall objektiver Gründe, zB den Eintritt der Verjährung für zunächst befürchtete straf- oder zivilrechtliche Nebenfolgen. Für den Wegfall subjektiver Gründe (zB Überwindung eines zunächst bestehenden Schamgefühls) ist deren Nachvollziehbarkeit zu fordern, um zu verhindern, dass der Gesetzeszweck eines Verbots willkürlichen Aufsparens der Parteivernehmung für die 2. Instanz ausgehöhlt wird (HK/Wöstmann Rz 2; St/J/Grunsky § 533 aF Rz 4; aA Musielak/Voit/Ball Rz 2; Anders/Gehle/Göertz ZPO Rz 5).

 

Rn 6

In Anlehnung an andere berufungsrechtliche Präklusionsvorschriften (§§ 531 II, 532 S 3) dürfte es genügen, dass der Weigerungsgrund und sein Wegfall im Bestreitensfall bloß glaubhaft gemacht werden, ein Vollbeweis ist nicht erforderlich (MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 7; Anders/Gehle/Göertz ZPO Rz 5; aA [Vollbeweis] Wieczorek/Schütze/Gerken § 535 Rz 5).

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