Rn 22

Möglich ist eine Zurückverweisung auch, wenn das Erstgericht nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden hat (zur Abgrenzung von Sach- und Prozessurteil Celle WM 16, 205). Dies gilt unstr für den Fall eines die Zulässigkeit verneinenden, klageabweisenden Endurteils. Im Übrigen ist der Anwendungsbereich dieser Alternative in vielfacher Hinsicht umstr.

a) Prüfung sämtlicher Zulässigkeitsrügen.

 

Rn 23

§ 538 II 2 verlangt für diese Zurückverweisungsalternative die Erledigung sämtlicher Rügen. Zu prüfen sind auch diejenigen Zulässigkeitsvoraussetzungen, die im erstinstanzlichen Urt nicht angesprochen und von den Parteien nicht gerügt worden sind, über die Zulässigkeit der Klage ist im Berufungsurteil vAw abschließend zu entscheiden. Ist die Klage auch nach Auffassung des Berufungsgerichts unzulässig, so wird die Berufung zurückgewiesen, und zwar auch dann, wenn dieses Ergebnis auf einen anderen Zulässigkeitsmangel gestützt wird. Ist die Klage zulässig, so kann das angefochtene Urt aufgehoben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden (Celle WM 16, 205). Unerheblich ist dabei, ob die Zulässigkeit bereits in 1. Instanz vorlag oder erst in 2. Instanz (zB durch Heilung eines anfänglich vorhandenen Mangels) eintrat. Verhandelt das Berufungsgericht auch über die Begründetheit der Klage, so kann es diese ohne Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot (§ 528) als unbegründet abweisen (Musielak/Voit/Ball Rz 25).

b) Unanwendbarkeit.

 

Rn 24

Unanwendbar ist S 1 Nr 3 auf ein die Zulässigkeit bejahendes Zwischenurteil. Bei einem solchen gelangt nur der Zwischenstreit in die Berufungsinstanz (§ 280 II), die Frage der Begründetheit bleibt erstinstanzlich anhängig, so dass im Fall einer Bejahung der Zulässigkeit die Aufhebung des Zwischenurteils genügt, um die Sache in 1. Instanz weiter zu verhandeln. Einer Zurückverweisung zur erneuten oder weiteren Verhandlung und Entscheidung bzgl der Hauptsache bedarf es nicht (so die hM: BGH NJW 86, 61, 62 [BGH 15.11.1984 - IX ZR 157/83]; R/Schw/Gottwald § 140 IV 1b; Wieczorek/Schütze/Gerken Rz 44; Musielak/Voit/Ball Rz 20; aA MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 9).

 

Rn 25

Ist eine Sachentscheidung ergangen, die wegen Fehlens einer Zulässigkeitsvoraussetzung nicht hätte ergehen dürfen, ist der Prozessstoff erstinstanzlich vollständig behandelt, so dass eine Zurückverweisung nach Nr 3 nicht in Betracht kommt (BGH WM 83, 658, 660; aA Zö/Gummer/Heßler Rz 9). Das gleiche gilt, wenn die Ausführungen zur Begründetheit als Hilfsbegründung zu einer Abweisung der Klage als unzulässig erfolgten (Musielak/Voit/Ball Rz 21; aA R/Schw/Gottwald § 140 IV 1b; Zö/Gummer/Heßler Rz 11), nicht dagegen, wenn die Klage wegen Fehlens einer Zulässigkeitsvoraussetzung fälschlich formal als ›unbegründet‹ abgewiesen wird (BGH NJW 84, 126, 128 [BGH 11.03.1983 - V ZR 287/81]; St/J/Grunsky § 538 aF Fn 10). In einem klar als solches zu erkennenden Prozessurteil enthaltene Ausführungen zur materiellen Rechtslage haben keinen Einfluss auf seine Rechtmäßigkeit und sind im nächsten Rechtszug als nicht geschrieben zu behandeln.

 

Rn 26

Nicht anwendbar ist Nr 3 auch, wenn die Abweisung der Klage zwar ohne vollständige Sachprüfung erfolgte, aber aus sachlichen Gründen, zB wegen Verjährung (Celle jurisPR-PrivBauR 11/15 Anm. 6), mangelnder Fälligkeit oder wegen fehlender Sachlegitimation (BGH VersR 00, 1391; NJW 99, 3125; MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 14; aA Hamm MDR 77, 585; Frankf VersR 86, 1195; R/S/G § 140 IV 1b). Auch wenn hier erstinstanzlich wesentliche Teile der Sachprüfung nicht vorgenommen wurden, scheitert eine Analogie am Ausnahmecharakter der Vorschrift.

 

Rn 27

Unanwendbar ist Nr 3 schließlich in Eilverfahren (Arrest, einstweilige Verfügung). Dies folgt bereits aus der Verwendung des Begriffes ›Klage‹, vor allem aber aus der mit einer Zurückverweisung verbundenen – gegebenenfalls erheblichen – zeitlichen Streckung des Verfahrens, die dem Zweck der Eilverfahren widerspricht. Dies gilt auch dann, wenn der Anspruchsteller zu Unrecht die sachliche Prüfung seines Eilbegehrens allein aus prozessualen Gründen in der ersten Instanz nicht erreicht hat. Würde in dieser Situation das Berufungsgericht erneut eine rein prozessuale Entscheidung treffen, wäre dies mit der dem Eilverfahren innewohnenden Dringlichkeit nicht zu vereinbaren (Dresd MDR 12, 668; Hamm VersR 08, 1118; Karlsr GRUR 78, 116; aA KG Urt v 16.8.04 – 8 U 88/04).

c) Entsprechende Anwendung.

 

Rn 28

Eine entsprechende Anwendung der Nr 3 ist geboten, wenn das erstinstanzliche Gericht aus anderen prozessualen Gründen von einer Sachentscheidung abgesehen hat, zB, weil es irrtümlich von einem Vergleich oder einem Anerkenntnis ausgegangen ist (Karlsr MDR 05, 1368; Frankf v 11.3.05 – 2 U 5/04; Ddorf NJW-RR 90, 1040 [OLG Düsseldorf 25.04.1990 - 9 U 1/90]; Anders/Gehle/Göertz ZPO Rz 7; ThoPu/Reichold Rz 9; aA MüKoZPO/Rimmelspacher Rz 14).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge