I. Rechtsnormqualität.
Rn 1
Mit der Revision kann nur gerügt werden, dass die tragenden Erwägungen der Entscheidung des Berufungsgerichts revisible Rechtsnormen verletzen. Rechtsnormen, deren Verletzung mit der Revision gerügt werden kann, sind alle materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften, also Gesetze, Rechtsverordnungen, über den innerdienstlichen Bereich hinausgehende Verwaltungsanweisungen, Gewohnheitsrecht und Völkerrecht. Auch die allgemeinen Denkgesetze und Erfahrungssätze sind Rechtsnormen idS, ebenso die eine Vielzahl von Personen oder Sachverhalten betreffenden privatrechtlichen Satzungen sowie allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl § 513 Rn 6 zu der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 513 Abs 1; anderer Auffassung zu allgemeinen Geschäftsbedingungen Musielak/Voit/Ball § 545 Rz 2). Die Revision kann auch auf die Verletzung von Bestimmungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts gestützt werden (Musielak/Voit/Ball § 545 Rz 5; MüKoZPO/Krüger § 545 Rz 7), wenngleich für deren Auslegung der Gerichtshof der Europäischen Union im Vorabentscheidungsverfahren nach Art 267 AEUV zuständig ist (es sei denn, die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt, sog acte-clair-Doctrine, EuGH NJW 83, 1257, 1258).
II. Verletzung des Rechts.
1. Frühere (in Bezug auf § 293 weiter geltende) Rechtslage.
Rn 2
Nach der bis zum 1.9.09 geltenden Fassung von § 545 konnte die Revision nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf der Verletzung des Bundesrechts oder einer Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt. Ausländisches Recht war und ist (vgl Rn 6) danach nicht revisibel (BGH WRP 10, Tz 42; NJW-RR 04, 308, 310 [BGH 12.11.2003 - VIII ZR 268/02]; NJW 03, 2685, 2686 [BGH 23.06.2003 - II ZR 305/01]; NJW-RR 96, 732 mwN), und zwar selbst dann nicht, wenn es um dem deutschen Recht ähnliche oder gar wortgleiche Vorschriften geht (BGH NJW-RR 96, 732; BGHZ 118, 151, 163 f mwN). Das Revisionsgericht war daher nach bisheriger Rechtslage auf die Prüfung beschränkt, ob deutsches oder ausländisches Recht Anwendung findet. Nachprüfbar war und ist (vgl Rn 6) ferner, ob das Berufungsgericht das ausländische Recht nach § 293 ordnungsgemäß, dh unter Ausnutzung aller ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ermittelt hat (BGH NJW-RR 09, 311 Tz 10; NJW 03, 2685, 2686; BGHZ 118, 151, 162; vgl auch BGH WRP 10, 113 Tz 42). Hat das Berufungsgericht das nicht revisible ausländische Recht außer Betracht gelassen und infolgedessen nicht gewürdigt, ist das Revisionsgericht nicht gehindert, es selbst zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen (BGH NJW-RR 04, 308, 310 [BGH 12.11.2003 - VIII ZR 268/02]; BGH 12.11.09 – Xa ZR 76/07 Tz 21 – juris). Nachprüfbar sind auch Kollisionsnormen des ausländischen Rechts einschließlich der in ihnen verwendeten Begriffe des materiellen Rechts, soweit in Frage steht, ob sie auf deutsches Recht verweisen (BGH NJW 58, 750, 751 [BGH 14.02.1958 - VIII ZR 10/57]; Zö/Feskorn § 545 Rz 9; vgl iÜ § 560 Rn 3 ff).
2. Änderungen durch das FGG-RG (BGBl I, 2586 ff).
Rn 3
Durch Art 29 Ziff 14a des FGG-RG ist § 545 I wie folgt gefasst worden ›Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.‹
a) Zweck der Änderung.
Rn 4
Nach der Gesetzesbegründung zu § 545 I nF verfolgt die Vorschrift den Zweck, den Anwendungsbereich für die revisionsgerichtliche Überprüfung von Rechtsnormen im zivilgerichtlichen Verfahren zu erweitern. Dass nach der bisher geltenden Vorschrift der Revision neben Bundesrecht lediglich solche Vorschriften unterliegen, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines OLG hinaus erstrecke, habe sich seit Inkrafttreten des ZPO-RG als zu eng erwiesen. Durch das ZPO-RG sei die Revision zu einer Instanz umgestaltet worden, bei der die Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen, die Aufgaben der Rechtsfortbildung und der Wahrung der Rechtseinheit im Vordergrund stehen. Dem Revisionsgericht habe eine maximale Wirkungsbreite gesichert werden sollen. Die bisher geltende Fassung des § 545 Abs 1 habe jedoch dazu geführt, dass lediglich ein Teil der Entscheidungen der Berufungsgerichte auf Rechtsverletzung überprüft werden konnte. Diese historisch bedingte Unterscheidung danach, ob eine Vorschrift in mehreren Oberlandesgerichtsbezirken Anwendung finde, führe vor dem Hintergrund der Neustrukturierung des Rechtsmittelrechts in Zivilsachen zu nicht mehr hinreichend sachlich gerechtfertigten Unterscheidungen hinsichtlich der Überprüfung landesrechtlicher und anderer regional begrenzter Vorschriften. Künftig unterlägen der revisionsrechtlichen Prüfung daher einheitlich alle Rechtsnormen unabhängig davon, ob sie in mehreren Oberlandesgerichtsbezirken Anwendung finden (BTDrs 16/9733, 301 f). Die Gesetzesbegründung stützt sich dabei auch auf die BGH-Entscheidungen v 5.7.05 (BGHZ 163, 321, 323 f) und 12.10.07 (NJW-RR 08, 251 Tz 7), in denen der BGH vor dem selben Hintergrund bereits entschieden hat, dass die revisionsgerichtliche Prüfung der Berufungsurteile bzgl AGB nicht auf solche Bedingungen beschrä...