Rn 8
Die Beweiswürdigung dient der Tatsachenfeststellung und ist daher ureigenste Domäne des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht grds gebunden. Revisionsrechtlich ist indes zu überprüfen, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl nur BGH NJW 93, 935, 937). Die wesentlichen Grundlagen der Beweiswürdigung müssen dazu im Berufungsurteil nachvollziehbar dargelegt werden (vgl nur BGH NJW 98, 2969, 2971 [BGH 18.06.1998 - IX ZR 311/95]). Der revisionsrechtlichen Überprüfung kann ferner das Beweismaß unterliegen. Nach § 286 hat der Tatrichter ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Die Beweiswürdigung verletzt das Gesetz (§ 286), wenn der Tatrichter unerfüllbare Beweisanforderungen stellt oder die Beweisanforderungen überspannt. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen. Der Richter muss sich im tatsächlich zweifelhaften Fall mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl nur BGH NJW 93, 935, 937 [BGH 14.01.1993 - IX ZR 238/91]).
Rn 9
Auch die Würdigung eines Indizienbeweises unterliegt nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung. Der Tatrichter ist grds darin frei, welche Aussagekraft er den Hilfstatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimisst. Er stellt die den Indizien zukommenden Wahrscheinlichkeitsgrade und somit die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen fest. Revisionsrechtlich ist seine Beweiswürdigung gem § 286 nur darauf zu überprüfen, ob er alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BGH WM 09, 739 Tz 21; BGH NJW-RR 07, 312 Tz 11 jmwN). Legt der Tatrichter iR eines Indizienbeweises Erfahrungssätze zugrunde, unterliegen die Existenz und der Inhalt eines Erfahrungssatzes und seine Anwendung durch den Tatrichter der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (BGH 25.5.20 – VI ZR 252/19 Tz 50 – juris).
Rn 10
Ein Verstoß gegen die Denkgesetze liegt ua auch dann vor, wenn der Tatrichter Indiztatsachen, die sich zwanglos mit dem gegensätzlichen Vortrag beider Parteien vereinbaren lassen, nur als mit dem Vortrag einer Partei für vereinbar hält, also in ihrer Ambivalenz nicht erkennt oder ihnen Indizwirkungen zuerkennt, die sie nicht haben können (BGH NJW 93, 935, 937 [BGH 14.01.1993 - IX ZR 238/91]; NJW 91, 1894, 1895). Beim Indizienbeweis muss der Tatrichter die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung in den Gründen seiner Entscheidung nachvollziehbar darlegen (BGH NJW-RR 93, 443, 444 [BGH 25.11.1992 - XII ZR 179/91]).
a) Sachverständigengutachten.
Rn 11
Auch bei der Auswahl der Sachverständigen und Würdigung von deren Gutachten können dem Berufungsgericht Fehler unterlaufen, die zur revisionsrechtlichen Nachprüfung führen. Zwar steht die Auswahl des Sachverständigen im Ermessen des Gerichts. Es liegt jedoch eine fehlerhafte Ermessensausübung (vgl dazu Rn 16) vor, wenn das Gericht einen Sachverständigen aus dem falschen Sachgebiet ausgewählt hat (BGH NJW 09, 1209 [BGH 18.11.2008 - VI ZR 198/07]). Revisionsrechtlicher Nachprüfung unterliegt ferner, ob der Tatrichter seiner Verpflichtung nachgekommen ist, Äußerungen gerichtlicher Sachverständiger sorgfältig und krit zu würdigen und auf die Ausräumung möglicher Unvollständigkeiten, Unklarheiten und Zweifel hinzuwirken. Dazu kann es geboten sein, ein weiteres Gutachten einzuholen, insb wenn das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen insgesamt oder zumindest in einzelnen Punkten zu vage oder zu unsicher erscheint (BGH NJW-RR 09, 679 [BGH 28.01.2009 - IV ZR 6/08] Tz 18 mwN). Der Tatrichter darf im Falle sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger sowie dann, wenn eine Partei ein Gutachten vorlegt, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht, den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt (BGH VersR 09, 817, Tz 9 mwN). Der Tatrichter darf auch einen Gutachterstreit nicht aufgrund eigener Sachkunde entscheiden, wenn er diese den Parteien nicht eröffnet und im Berufungsurteil hinreichend dargelegt hat (BGH NJW 08, 2994 Tz 4; BauR 08, 1031 Tz 19 f; NJW 94, 2419, 2421). Verletzt der Tatrichter diese Verpflichtungen, liegt ein Verfahrensfehler vor, der bei entsprechender Rüge zu revisionsrechtlicher Nachprüfung führt.
b) Andere Würdigung von Zeugenaussagen durch das Berufungsgericht.
Rn 12
Will das Berufungsgericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders beurteilen als der erstinstanzliche Richter oder will es die protokollierte Aussage eines Zeugen...